Das Liebesspiel
schiebt sich nach links, sucht eine Lücke im Gegenverkehr, damit sie mich überholen kann. Sie drängelt, drückt auf die Hupe, ich ignoriere sie. Ich werfe einen kurzen Blick auf den Tacho.
Meine Jeans hat einen Schlitz am Knie. Die Jeans, die ich bei unserem ersten Date down under trug, bevor alles drunter und drüber ging. Beim Fahren tasten meine Finger über den Riss, über den weichen weißen Rand um das Loch, die nackte Haut darunter, und ich denke an ihn, an den Schauder, als er mich berührte.
An der Ampel fährt der Altima rechts an mir vorbei. Das Mädchen darin sieht mich nicht an, starrt nach vorn, als sei sie sauer auf die Straße. Auf der Fahrerseite ist eine Beule in der Tür ihres Wagens und ich weiß, was sie vorhat – ihr grimmiges Gesicht ist so leicht zu durchschauen, ein vertrautes Trümmerfeld, das ich noch im Profil erkenne. Die Ampel springt um. Sie schießt los. Ich trete das Gaspedal durch. Sie ist kaum älter als achtzehn. Ich sollte sie nicht herausfordern. Es ist eine Schrottkarre, die sie da fährt, ich höre das Stöhnen der Schalldämpfer, während sie auf meiner Höhe bleibt, selbst als ihre Spur schmaler wird, immer enger, bis sie mich fast streift, ihre Reifen donnern über die Fahrbahnmarkierung am Rand der Straße, noch fünf Sekunden und sie kommt davon ab.
Ich trete mit dem Fuß gerade so lange auf die Bremse, dass sie Platz hat, sich reinzuquetschen. Sie schlüpft in die Spur vor mir und rast davon, die Fensterscheibe wird heruntergekurbelt, ein Arm – hübsch, alabasterblass – schiebt sich heraus. Sie zeigt mir den Finger.
Der Rest des Tages tröpfelt dahin. Am Mittwoch arbeite ich. Es ist ungewöhnlich voll im Restaurant. Die Saison zieht an. Am Donnerstag bin ich schon vor acht Uhr auf, werkle in der Küche mit einer Backmischung für irisches Soda Bread herum, die ich in der Speisekammer ausgegraben habe. Mein Vater ist schon zurück vom Kontrollieren der Hummerfallen, er isst das Frühstück, das meine Mutter ihm gemacht hat, Schinkenspeck, ein Ei, ein Käsesandwich, während sie die fünf Hummer kocht, die er mitgebracht hat. Als sie fertig sind, stellt sie sich an die Spüle, holt das Fleisch aus den Panzern, wirft die aufgeschlitzten roten Schalen auf einen Haufen.
Ich bin ihr im Weg. Das weiß ich. Mit meinem Holzlöffel und dem Brotteig in der Rührschüssel. Die Anweisungen auf der Packung sind idiotensicher. Den Ofen auf zweihundertzwanzig Grad vorheizen. Den Teig auf einer leicht bemehlten Fläche vorsichtig kneten. Sie macht einen Bogen um mich, wenn sie vorbeimuss. Ab und zu sagen sie etwas, meine Eltern, meistens zueinander.
Gerade habe ich den Teig in den Ofen geschoben und mich mit meinem Toast an den Tisch gesetzt, als ich einen Pick-up vorfahren höre, ich nehme an, es ist mein Bruder, blicke kurz aus dem Fenster und sehe, dass es Ray ist.
Er suche Alex, sagt er, als ich nach draußen gehe, mir die Hände an einem Geschirrtuch abwische. Seit Montag versuche er schon, ihn zu erreichen, hätte drei Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen, sei bei ihm zu Hause gewesen, aber da stände kein Wagen, keine Spur von ihm, keiner da.
»Die sind hoch nach Maine«, sage ich. »Samstag losgefahren.«
Er nickt. »Das erklärt einiges.«
»In so ein Cottage am See. Lisa wollte unbedingt. Hat ihn sozusagen mitgeschleppt.«
»Wann ist er wieder zurück?«
»Samstag, glaube ich.«
Er schaut durch mich hindurch. »Dann sag ihm doch, dass ich da war, ja?« Er hat einen Kaffeebecher in der Hand, will sich abwenden.
»Sie sind auf den letzten Drücker gefahren«, rufe ich ihm nach.
Er sieht sich um.
»Lisa hat irgendein Schnäppchen ergattert – sie ist ja ganz verrückt nach Schnäppchen.«
Ich setze mich auf die Veranda. Er steht immer noch da, auf den unteren Stufen, die Hand auf dem viereckigen Geländerpfosten, die blassen Sommersprossen auf seinem Nasenrücken jetzt kräftiger. Es ist Sommer, denke ich. Sommer. Geh nicht. Er ist kurz davor, zu verschwinden, ich kann es spüren, ich kann ihn spüren, auf der Kippe.
Schnell plappere ich weiter, dass noch jemand anders hier gewesen sei, der etwas von Alex wollte, ein Kunde, der eine Rechnung in der Post hatte und sie aufgeschlüsselt haben wollte, habe ein paar Fragen gehabt, man kennt das ja, dass manche Leute einem anscheinend nicht vertrauen können, wenn es ans Bezahlen geht. »Ich glaube nicht, dass es in dem kleinen Cottage, das sie gemietet haben, Handyempfang gibt – hast du noch einen
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