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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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Ausrede aus, um an dem Fenster vorbeigehen zu können in der Hoffnung, ich würde etwas sehen. Tat ich aber nie.«
    Ihre Finger schweben zurück zu den Steinen auf ihrem Bänkchen, berühren eins. Es scheint, als würden wir ständig diese Steine berühren.
    »Du hast mich eben nach jenem Sommer gefragt, Janie«, sagt sie, »nach jenem Sommer, als die neue Straße freigegeben wurde. Das war das Jahr, bevor ich Silas verließ, bevor ich mit den Jungen in das schäbige alte Colonial-Haus unten bei dir an der Straße zog.« Sie blickt kurz auf, ich nicke, sie fährt fort. »An einem Abend in jenem Sommer, das weiß ich noch, machte ich eine Spritztour mit Junie. Nur wir beide im Wagen. Er hatte irgendwas Verrücktes mit seinem 1959 er Galaxie Sunliner gemacht und wollte es mir vorführen. Er wusste, dass ich gerne schnell fuhr. Wir nahmen den Highway. Die neue Straße. Sie war noch nicht durchgängig freigegeben, doch wir mussten sie einfach ausprobieren – elf Meilen planierte Strecke –, wir konnten uns nicht dagegen wehren. An jenem Abend auf dem Highway nahmen wir den Hügel und Junie gab Gas, drückte auf die Tube. Mit Höchstgeschwindigkeit ging es über die Kuppe. Alle vier Räder hoben ab, das schwöre ich, wir schwebten in der Luft …«
    Ihre Stimme bricht ab. Und mir kommt der Gedanke, dass jede Geschichte zu der einen zurückführt, die man nicht erzählen kann. So ist das eben. Ich weiß, dass sie an Green denkt. Sie sagt es nie. Aber ich spüre es manchmal zwischen uns, so als wäre die Luft von ihm durchdrungen.
    Als ich mit Marne schwanger war, gab es eines Nachmittags ein Gewitter. Alex war erst sechs. Er war mit mir allein zu Haus. Mit seinem Malpapier und den Buntstiften saß er am Küchentisch. Ich putzte Möhren in der Spüle. Der Regen schlug gegen das Fenster, prasselte immer heftiger herunter, und wir hörten, wie die Zeit zwischen dem Blitz und dem Donner immer kürzer wurde, je näher das Gewitter kam. Plötzlich, als es blitzte, wurde der Garten draußen in grelles Weiß getaucht. Die Küchenlampe flackerte. Alex ließ seine Buntstifte fallen, ich setzte mich auf den Stuhl. Er krabbelte auf meinen Schoß. »Mommy«, sagte er, »woher kommt der Donner?« Seine Hände wanden sich eng und feucht um meinen Hals, sein Atem war heiß und ich wusste, dass ich ihm etwas über Wetterfronten hätte erzählen können, über warme Luftmassen, die auf kalte treffen, und gleichzeitig wusste ich, dass er eigentlich nur wissen wollte, wie man seine Angst davor bezwingt.
    Er war neun, als Green starb. Eigentlich hätte er während der Schulzeit nicht so lange aufbleiben dürfen. Wir waren unten, Alex und ich, auf dem Sofa im vorderen Zimmer, und sahen fern, die dreijährige Marne schlief in meinen Armen und Carl hatte gerade vom Hafen aus angerufen, um mir zu sagen, dass er eingelaufen war und bald zu Hause sein würde.
    Wir spürten, wie das Auto vorbeifuhr, den Luftzug, der die Nacht anhob, und als sie eine Viertelmeile nördlich von uns gegen den Mast in der Kurve rasten, gingen die Lichter aus und wir saßen im Dunkeln, warteten auf etwas, ohne zu wissen, was es war. Wir hörten, wie eine Frau den Namen ihres Sohnes rief, und da wussten wir, wer in dem Auto gesessen hatte. Kurz darauf kam Carl nach Hause. Wir erzählten es ihm und er brach sofort auf, fuhr hin, um nachzusehen, und als er nach einiger Zeit zurückkam, sah er einfach nur erschöpft und traurig aus, ein kleiner dunkler Rand an seinem Kragen, wo der Schweiß eingesickert war. Unentwegt schüttelte er den Kopf. »Green saß am Steuer. Erst dreizehn Jahre alt und sie haben ihn fahren lassen. Sie sind über den Highway gerast und wollten dann genauso schnell über die Landstraße.« Er schien einfach nicht mit dem Kopfschütteln aufhören zu können, sagte immer wieder, wie wahnsinnig das Ganze sei und wie unglaublich, dass Huck, den sie mit Green aus dem Unfallwagen hatten ziehen müssen, so gut wie unversehrt gewesen war, nur eine Schnittwunde auf der Stirn und ein Ellenbogen ausgerenkt, und Silas – nun ja, der sei auf der Beifahrerseite aus dem offenen Fenster geflogen, unbehelligt durch die Luft gesegelt und weitergerollt, liegen geblieben und ohnmächtig geworden, stockbesoffen, wie er war, kein einziger Knochen gebrochen.
    In jener Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich lag wach, während die weiche Schwärze gegen die Fensterscheiben drückte, und irgendwann in der Nacht wachte Marne auf, verängstigt, ich hörte, wie sie sich durch

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