Das Lied der Cheyenne
Mund mit etwas Gras ab, sprang wieder auf ihr Pony und ritt weiter. Sie fühlte sich jetzt wesentlich besser. Weiter nördlich fand sie eine Quelle, von der sie trank und in deren Nähe sie auch die Fußspuren der Krieger fand. Es waren keine Feinde in der Nähe, und die Männer hatten sich erst gar nicht die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen.
Büffelfrau ritt weiter nach Norden. Sie folgte den Spuren bis zu einem kleinen Fluss und am Ufer entlang. Sie war allein in der Prärie. Lediglich ein Bussard kreiste über dem Land und warf seinen Schatten auf den trockenen Boden. Das Pony war ausdauernd und zeigte keine Anzeichen von Müdigkeit. Sie ließ es die Gangart wechseln, damit es sich nicht verausgabte, und legte öfters eine Pause ein, wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte.
»Mute deinem Pferd nicht mehr zu als dir selber«, hatte er gesagt, »unterwegs wird es dein bester Freund sein.«
Die Sonne wanderte über den Himmel und näherte sich dem westlichen Horizont. Erst jetzt wurde Büffelfrau bewusst, dass sie die Spuren nicht mehr erkennen würde, wenn es dunkel war. Wie sollte sie das Nachtlager der Krieger finden? Sollte sie weiter nach Norden reiten, bis sie ihr Feuer entdeckte? Das war ein riskantes Unternehmen. Wenn die Männer in einer Senke lagerten, ritt sie vielleicht an ihnen vorbei, ohne es zu merken.
Sie zügelte ihr Pony und legte eine Hand über ihre Augen. Die Berge waren jetzt ganz nahe und höchstens noch so lange entfernt, wie die Sonne am Himmel stand. Wenn sie es bis dorthin schaffte und im schwindenden Tageslicht erkannte, welchen Weg die Krieger genommen hatten, konnte sie es schaffen. Sie trieb ihr Pony an und galoppierte über die offene Prärie. Ihr Mut war geschwunden, und sie zweifelte plötzlich daran, ob es richtig gewesen war, den Kriegern zu folgen. Die Männer ritten schnell, und es würde ihr vielleicht nie gelingen, sie einzuholen. Was war, wenn sie das Lager nicht fand? War sie erwachsen genug, um die Nacht allein zu verbringen? Sie hatte keine Decke dabei. War es nachts warm genug?
Büffelfrau konzentrierte sich auf den Ritt und ritt mit der Sonne um die Wette. Sie erreichte die felsigen Ausläufer, kurz bevor es dunkel wurde, und suchte das Gelände nach Spuren ab. Sie hatte dieses Spiel oft mit den Jungen gespielt. Weißer Biber, Roter Mond, Gefleckter Wolf und Kleiner Falke bekamen einen Vorsprung, und sie musste herausfinden, welchen Weg sie geritten waren. Das war nicht einfach, besonders wenn sie die Spuren von Roter Mond suchen musste. Der Junge verstand es meisterhaft, die Hufabdrücke seines Ponys zu verwischen.
Büffelhöcker und seine Krieger hatten es nicht nötig, ihre Spuren unkenntlich zu machen, weil die Späher weit und breit keine Feinde gesehen hatten, aber die Hufabdrücke waren nicht zu finden. Die zwanzig Krieger schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Das Mädchen gab sich alle Mühe und stieg immer wieder aus dem Sattel, aber die Spuren waren nicht mehr da. Waren sie woanders hingeritten? Hatten sie Shar-ha gesehen?
Verzweifelt zügelte Büffelfrau ihr Pferd. Sie war jetzt wieder ein kleines Mädchen, das sich in der einbrechenden Dunkelheit fürchtete und nach Hause sehnte. Sie begann leise zu weinen.
»Meine Tochter! Was tust du hier?«
Büffelfrau fuhr erschrocken zusammen und erkannte ihren Vater, der unbemerkt hinter einem Felsen hervorgeritten war. Er hielt sein Gewehr schussbereit über dem Sattel. »Ne-hyo!«, rief sie erleichtert. »Vater! Ich habe dich gefunden!«
»Ich habe dich gefunden«, widersprach der Häuptling amüsiert. Er steckte das Gewehr weg, ritt neben seine Tochter und nahm sie in den Arm. »Wir haben gemerkt, dass wir verfolgt werden. Wir haben unsere Spuren verwischt. Bist du mir nachgeritten?«
Büffelfrau erzählte ihm alles. »Ich will einmal so tapfer sein wie du. Ich will viele Coups schlagen und viele Pferde rauben! Darf ich mit euch reiten und auf eure Pferde aufpassen?«
»Du bist zu jung«, erwiderte Büffelhöcker sanft. Er war stolz auf seine Tochter, weil sie tapferer als die meisten Jungen war und den Spuren bis in die Berge gefolgt war, aber er kannte auch seine Verantwortung als Vater. »Das geht nicht.«
»Weil ich ein Mädchen bin?«
»Das hat nichts damit zu tun. Ich würde auch einen Jungen zurückschicken. Mit sieben Wintern ist man zu jung für den Kriegspfad. Reite nach Hause und hilf deinen Müttern. Übe mit dem Bogen, und reite mit Roter Mond und Weißer Biber. Sie werden
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