Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
Sie spürte die verwunderten Blicke ihrer Freundinnen und war selbst nicht sicher, ob sie gegen einen so guten Reiter wie Roter Mond bestehen konnte. Aber sie hatte den Jungen herausgefordert, und es gab kein Zurück mehr für sie. Wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren wollte, musste sie gegen ihn antreten. »Wohin willst du reiten? Einmal um das Lager herum? Bis zu den Baumen da hinten und zurück? Zu den heiligen Bergen?«
    Roter Mond verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte großzügig. »Ich bin älter als du, und ich bin ein Mann. Du bist nur ein Mädchen. Du kannst entscheiden.«
    »Du führst große Reden«, erwiderte das Mädchen ruhig. Auch auf ihrem Gesicht lag jetzt ein Lächeln. Es war nur an ihrem leicht verzogenen Mund zu erkennen. »Hoffentlich kannst du genauso gut reiten, wie du große Reden führst.«
    »Du wirst es sehen.«
    Jetzt lächelte Büffelfrau auch mit den Augen. Sie fand langsam Gefallen an der Kraftprobe und fühlte sich stark, gegen den Jungen zu bestehen. Sie blickte nach Osten. Sie lagerten in derselben Senke, in der sie vor sieben Wintern geboren wurde, und in der Ferne ragten wieder die heiligen Felsenberge der Hügelleute zum Himmel. Dort hatte Sieht-hinter-die-Berge seinen Schutzgeist getroffen, und dort waren die meisten Toten bestattet worden. Die Berge lagen zwischen der jetzigen und der anderen Welt. Jeder Krieger und jede Frau des Volkes, die von Maheo gerufen wurde, lagerte in den heiligen Bergen, bevor sie im Dorf einer anderen Welt zu neuem Leben erwachten.
    »Wir reiten zu den heiligen Bergen«, entschied Büffelfrau. »Wir berühren die große Felswand. Wer zuerst wieder hier ist und in den Fluss springt, hat gewonnen.«
    »Das ist gut«, zeigte Roter Mond sich zufrieden, »aber wir werden lange unterwegs sein. Bis wir wieder hier sind, ist es dunkel. Kannst du so lange durchhalten?«
    »Ich war bei den Kriegern. Denk daran.«
    »Du bist langsam geritten.«
    »Ich habe meinen Vater eingeholt. Und Gelber Wolf und Läuft-rückwärts. Vergiss das nicht.«
    »Pah«, erwiderte Roter Mond. Es wurde höchste Zeit, dass er diesem Mädchen zeigte, dass die Geister nicht immer auf ihrer Seite waren. Wenn sie gegen ihn verlor, würde sie ihren Hochmut ablegen und sich wieder wie ein Mädchen benehmen. Es ging nicht an, dass sie das Kommando im kleinen Lager übernahm. »Wir nehmen die Ponys dort drüben.«
    »Sind das deine Ponys?«
    »Sie gehören Weißer Biber und mir«, sagte Kleiner Falke. Er war ein stämmiger Junge mit kantigen Gesichtszügen, der einen Kopf kleiner als die meisten Jungen seines Alters war und deswegen oft gehänselt wurde. Er hatte erst zweimal einen Ringkampf gewonnen, und auch das nur, weil seine Gegner sehr viel jünger gewesen waren. Auch als Bogenschütze war er kaum zu gebrauchen. Aber er war ein guter Reiter und hatte von seinem Vater schnelle Ponys geschenkt bekommen.
    Blitzfrau holte die beiden Tiere. »Es sind gute Tiere, viel zu gut für euch beide. Sie werden schneller sein als der Wind und euch beide abwerfen. Dann müsst ihr zu Fuß weiterlaufen.«
    Roter Mond hatte jetzt keinen Sinn für den Humor der dicken Blitzfrau und griff nach den Zügeln. Er bestieg das stämmige Pony mit den langen Beinen, das wie geschaffen für ein langes Rennen war. Das andere Pony war für seinen langen Atem bekannt und hatte sich ebenfalls auf langen Strecken bewährt. Büffelfrau war mit einem Satz auf seinem Rücken. Beide Ponys waren nicht gesattelt, aber Roter Mond und Büffelfrau hatten gelernt, auch ohne Sattel zu reiten. Schon mit zwei oder drei Wintern waren sie von ihren Eltern auf Ponys gesetzt worden, damit sie reiten lernten und ein Gefühl für die Tiere bekamen.
    Büffelfrau tätschelte dem Pony aufmunternd den Hals. »Wir beide werden diesem Aufschneider schon zeigen, wer besser reiten kann!«, sagte sie leise. Auch Roter Mond flüsterte seinem Pony etwas zu. Er wirkte siegessicher und selbstbewusst.
    »Ich gebe das Kommando«, sagte Otterfrau.
    Die Kinder standen aufgeregt am Flussufer und beobachteten, wie Büffelfrau und Roter Mond sich auf den Start vorbereiteten. Kleiner Falke ärgerte sich ein bisschen, weil er nicht selber auf die Idee gekommen war, das Mädchen herauszufordern. Auch Gefleckter Wolf, der sein Haar nur auf einer Seite lang trug und sich gern von den anderen bewundern ließ, dachte so. Auch er war ein guter Reiter. Der Junge, der später einmal Angst-vor-Pferden heißen sollte und von den Kindern »Läufer« gerufen

Weitere Kostenlose Bücher