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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Endspurt.
    Roter Mond zog ihn zuerst an. Büffelfrau reagierte sofort, und sie galoppierten nebeneinander über die grasbedeckten Hügel vor dem Dorf. Die Kinder johlten vor Begeisterung. Auch einige Erwachsene waren aus ihren Tipis gekommen und beobachteten den Endspurt von Roter Mond und Büffelfrau. Das schrille »Houp! Houp!« übertönte sogar das Klappern der Ponyhufe.
    Büffelfrau holte alles aus ihrem Pony heraus. Sie verwuchs mit dem Pferdekörper zu einem rasenden Geschoss, das über die Prärie zu fliegen schien. Neben Roter Mond sprengte sie an den Kinderzelten vorbei und zum Fluss hinunter. Beinahe gleichzeitig fielen sie ins Wasser, das hoch aufspritzte. Sie kamen prustend aus dem Fluss und ließen sich von den anderen Kindern feiern.
    »Ihr habt beide gewonnen!«, rief Otterfrau.
    Roter Mond schüttelte das Wasser aus seinen Haaren und blieb keuchend stehen. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Als er die vielen Erwachsenen vor den Tipis stehen sah, entschied er sich, die Rolle des großzügigen Kriegers zu spielen. »Ich wollte dich nicht erniedrigen«, sagte er zu Büffelfrau, »beim nächsten Mal reite ich dir davon.«
    »Und ich wollte dich nicht vor deinen Freunden bloßstellen«, hielt Büffelfrau dagegen, »nächstes Mal lasse ich dich stehen.«
    Die Jungen und Mädchen riefen laut durcheinander, aber Büffelfrau war viel zu erschöpft, um sich zu streiten, und ging zum Dorf hinauf. Unterwegs begegnete sie Weißer Biber, der ebenfalls zum Tipi seiner Eltern zurückkehrte. Der Junge blieb stehen und blickte sie mit glänzenden Augen an. »Eni-to-eme«, sagte er. Das Wort, das die Hügelleute gebrauchten, wenn sie einem Mann oder einer Frau große Ehrerbietung zeigten.
    Büffelfrau verneigte sich und ging erstaunt weiter. Später würde sie sich noch oft an diesen Augenblick erinnern.

6
Hochmut
    Im Mond, wenn das Hochwasser kommt, waren Büffelhöcker und seine Krieger noch immer nicht zurückgekehrt. In den fernen Bergen rauschte das Schmelzwasser von den Felsen, und die Täler erwachten zu neuem Leben, aber auch der mächtige Adler, der aus dem hohen Norden gekommen war und seit einigen Tagen über dem Dorf schwebte, wusste nichts vom Verbleib der Krieger. »Es geht ihnen gut«, sagte Sieht-hinter-die-Berge. Er stand in Verbindung mit den Geistern, und die Medizin war während des letzten Mondes immer gut gewesen.
    Büffelfrau war nicht daran gewöhnt, so lange ohne ihren Vater auszukommen. Sie war in eine friedvolle Zeit hineingeboren worden, und selbst die Hundesoldaten hatten das Dorf nur für kurze Zeit verlassen. Es hatte keinen großen Krieg gegeben, und die Büffel waren immer in der Nähe gewesen. Jetzt war er zum ersten Mal länger als einen Mond weg, und sie sehnte sich danach, wieder von ihm umarmt zu werden. Büffelhöcker erzählte spannende Geschichten von fremden Völkern und seltsamen Tieren, und er berichtete von den erfolgreichen Kriegszügen der Hügelleute. Wenn sie ihm zuhörte, sah sie sich oft als tapfere Kriegerin, die mit den Männern auf den Kriegspfad ritt und viele Coups schlug.
    Natürlich wusste sie, was ein Coup ist. Ihr Vater hatte oft genug erklärt, dass es für einen Krieger wichtiger war, einen Feind mit der Hand, dem Bogen oder einem Coupstab zu berühren, als ihn zu töten. Das wussten sogar Mädchen wie Otterfrau und Blitzfrau, die nur davon träumten, als Ehefrau eines tapferen Kriegers zu leben, Holz zu sammeln und Mahlzeiten zu kochen. Büffelfrau wusste noch viel mehr, und sie drängte ihren Vater ständig, ihr alles beizubringen, was ein Krieger wissen musste. Wie baute man einen Bogen, welches Holz nahm man für Pfeile her, und welches Leder eignete sich am besten für einen Schild.
    Jetzt war Büffelhöcker auf dem Kriegspfad, und sie war abends nur mit ihren Müttern beisammen. Windfrau besuchte fast jeden Abend eine ältere Kusine, deren Mann bei einer der letzten Büffeljagden ums Leben gekommen war, aber ihre leibliche Mutter blieb im Tipi und nützte die langen Abende, ihr etwas über die Pflichten einer Frau beizubringen. Sie erklärte dem Mädchen, dass eine gute Ehefrau vor allem für den Haushalt verantwortlich war, nach Wurzeln und Kräutern suchte, das Brennholz sammelte und die Felle der getöteten Tiere gerbte und verarbeitete. Weidenfrau gehörte zum angesehenen Stickerbund, einer Gesellschaft von Frauen, die ihre Kleider mit besonders schönen Stickereien verzierten. »Eines Tages wirst du auch zu uns gehören«,

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