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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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wenn er an uns vorbeireitet. Habt ihr gesehen, wie er uns ansieht? Wie ein Hundesoldat, der viele Skalpe erbeutet hat. Wie Roter Mond, wenn er ein Pferderennen gewonnen hat.«
    »Er freut sich, weil er so gut reiten kann.«
    Blitzfrau schüttelte den Kopf. »Er gibt an. Es wird höchste Zeit, dass wir ihm eine Lehre erteilen. Sonst denkt er noch, wir liegen vor ihm auf dem Boden.« Sie rammte ihren Wurzelgrabstock in den Boden und blickte die anderen entschlossen an. »Ich habe mir etwas für ihn ausgedacht. Wollt ihr hören, was ich vorhabe?«
    Die Mädchen scharten sich um Blitzfrau und hörten gespannt zu, als die Spaßmacherin erklärte, wie sie Kleiner Falke auf den Boden zurückholen wollte. Ihr Plan war einfach, aber schwer durchzuführen, und einige der Mädchen glaubten, dass es Blitzfrau niemals gelingen würde, unbemerkt an Kleiner Falke heranzukommen. »Ich nehme Büffelfrau mit«, sagte sie. »Ihr grabt weiter und tut so, als wäre alles wie sonst.«
    »Und wenn er sich den Hals bricht?«, fragte ein Mädchen.
    »Unsinn«, meinte Blitzfrau, »dazu ist er ein viel zu guter Reiter. Ich will nur, dass er nicht mehr so angibt.«
    »Ich denke, du magst ihn.«
    »Wer sagt das?«, fragte Blitzfrau wütend. Es ärgerte sie, dass jemand wusste, wie sehr sie den jungen Krieger mochte. Die meisten Jungen waren dumm und wurden von den Mädchen verspottet. Man respektierte sie, wenn sie gute Schützen oder gute Reiter waren, aber man mochte sie nicht. »Er ist ein guter Reiter, weiter nichts. Und er ist ein Angeber. Es wird Zeit, dass wir ihm einen Denkzettel verpassen. Oder wollt ihr euch den ganzen Morgen beim Wurzelgraben langweilen?«
    »Ist schon gut, Blitzfrau.«
    Sie warteten, bis Kleiner Falke vorbeigeritten und hinter einer Bodenwelle verschwunden war. Auch diesmal hatte er wieder mit seinen Kunststücken geprahlt, und auf dem Rückweg würde er es noch einmal versuchen. Die Mädchen hatten begeistert geklatscht, als der Junge im vollen Galopp das Pony gewechselt hatte und stehend weitergeritten war. Erst als er aus dem Blickfeld der Mädchen verschwunden war, hatte er sich wieder in den Sattel fallen lassen. »Houp, houp!«, hatte er gerufen. »Hier kommt der beste Reiter des Volkes! Seht, was ich kann!«
    Blitzfrau und Büffelfrau folgten ihm zu Fuß und in gebückter Haltung, wie sie es bei den Wölfen gesehen hatten. So wurden die Späher des Volkes genannt, die einem Kriegstrupp vorauseilten und ein Dorf des Feindes auskundschafteten. Sie waren besonders fähige Krieger und lebten sehr gefährlich, weil sie jederzeit von den Feinden entdeckt werden konnten. Auch die Mädchen hatten einiges zu erwarten, wenn sie von dem Jungen oder einem Erwachsenen gesehen wurden. Kleiner Falke würde sie auslachen, weil sie es nicht einmal geschafft hatten, ihm einen Streich zu spielen, und ein Erwachsener würde ihnen erklären, wie die Pflichten einer Frau aussahen. Das konnte Stunden dauern, und ihnen würde kaum noch Zeit zum Spielen bleiben. Das durfte auf keinen Fall passieren.
    Vor allem Büffelfrau bewegte sich sehr geschickt. Wie ein flinkes Tier huschte sie über den trockenen Boden. Ihre Augen waren nach vorn gerichtet, und ihre Mokassins verursachten kaum einen Laut. Zwischen einigen Sträuchern blieb sie stehen und wartete auf Blitzfrau. Die Spaßmacherin war langsamer und schnaufte angestrengt, als sie endlich nachgekommen war.
    »Du solltest weniger essen«, neckte Büffelfrau die Freundin.
    Blitzfrau nahm es mit Humor. »Heute Morgen habe ich nur einen halben Büffel gegessen. Ist das vielleicht viel?«
    »Und was gibt es zum Abendessen?«
    »Noch einen halben Büffel«, antwortete Blitzfrau lachend.
    Sie stiegen einen grasbewachsenen Hügel hinauf und blickten in ein kleines Tal hinab. Im Schatten einiger Cottonwoods lagerte Kleiner Falke. Das tat er jeden Morgen. Er band seine Ponys an einen Baum und setzte sich ans Ufer des schmalen Baches, der aus den nahen Bergen kam und unweit des Lagers in den Fluss mündete. Er malte sich die Zukunft aus und sah sich als kühnen Krieger, der viele Pferde stahl und die Shar-ha mit seinen Kunststücken verwirrte. »Das ist Kleiner Falke«, riefen die feindlichen Krieger staunend, »keiner kann so gut reiten wie er!«
    Das kleine Tal war sehr fruchtbar, und das Büffelgras reichte den Mädchen schon fast bis an die Knie. Vereinzelte Sträucher erhoben sich aus dem Grasteppich, und das Ufer des Baches wurde von Cottonwoods gesäumt. »Wir kriechen durch das Gras«,

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