Das Lied der Cheyenne
Rundungen unter ihrem Hirschlederkleid zu erkennen, ihre Hüften waren schmal, die Schenkel fest, und sogar erwachsene Männer blickten ihr bewundernd nach. Sie war nicht so schön wie Otterfrau, auch nicht so verführerisch wie die listenreiche Schlangenfrau, die sich mit duftenden Kräutern einrieb, um den jungen Kriegern zu gefallen. Dazu waren ihre Gesichtszüge zu herb und ihr Blick zu hart. Aber ihre tiefschwarzen Augen loderten, und ihre Bewegungen waren geschmeidig und anmutig.
»Sie ist wie die Raubkatze, die ich im letzten Winter in den Bergen aufgespürt habe«, sagte Büffelhöcker zu seinen Frauen, »wer sie will, muss sich ihr unterordnen. Sie ist sanft wie eine Antilope, und jeder bewundert ihre Schönheit.«
»Du hast recht«, stimmte Weidenfrau zu, »die jungen Krieger werden es nicht leicht haben mit ihr. Aber noch ist es nicht so weit. Noch geht sie bei dem alten Schamanen in die Lehre. Solange sie die meiste Zeit des Tages mit Sieht-hinter-die-Berge verbringt, hat sie keine Zeit für die jungen Männer.«
»Auch du warst zwölf Winter alt, als ich vor deinem Zelt die Flöte spielte. Hast du die Lieder heute Nacht erkannt? Roter Mond war vor dem Tipi von Otterfrau und hat dieselben Lieder gespielt wie ich vor vielen Wintern. Ho, es war gut zu hören!«
Weidenfrau lächelte. »Ich habe die Lieder gehört, und du weißt es. Du warst wie ein wilder Büffelbulle, oder hast du das vergessen? Windfrau ist aufgewacht und hat zugesehen.«
»Sie kennt uns seit vielen Wintern.«
»Du bist selten so wild.«
Büffelhöcker nahm seine Frau in den Arm und nickte Windfrau zu, die im Halbdunkel des Tipis saß und Leggins bestickte. »Ich weiß«, sagte er, »und es ist gut, dass mich die Flöte daran erinnert hat. Heute Nacht wird er sie wieder spielen.«
Sie lachten beide, und sogar die nüchterne Windfrau rang sich ein Lächeln ab. Sie waren eine gute Familie. Büffelhöcker war ein erfolgreicher Krieger, und die Fleischtöpfe waren immer gefüllt. Die schönsten Ponys der Hügelleute gehörten ihm. Gelber Wolf, ihr Ziehsohn, hatte sich den Hundesoldaten angeschlossen, und ihre Tochter ging bei Sieht-hinter-die-Berge in die Lehre. Aiee, sie waren eine angesehene Familie.
Natürlich wussten sie, dass im Leben nichts von Dauer war. Ihre Tipis standen mal hier und mal dort. Wo heute Frieden war, tobte morgen der Krieg, und das stolze Lächeln eines Kriegers erstarb unter dem Axthieb eines Feindes. Wenn Büffelhöcker ging, war es um seine Familie schlecht bestellt. Es gab keinen Sohn, und sie waren auf die Gnade von Gelber Wolf und anderen Kriegern angewiesen. Das behauptete Windfrau, und sie hatte einen guten Grund dazu. Nur wenige Anführer der Hundesoldaten waren älter als vierzig Winter geworden.
Büffelhöcker sah das anders. »Habt keine Angst«, sagte er, wenn Windfrau ihn darauf ansprach, »ich habe eine starke Medizin und werde lange leben. Länger als der alte Berührt-die-Wolken.« Er lachte. »Und wenn ich von Maheo gerufen werde, ist Büffelfrau da. Sie wird für euch sorgen, besser als jeder Mann.«
Die Kunde von dem tapferen Mädchen war wie ein Lauffeuer über die Prärie geeilt. Zu den Waldleuten im Westen und den Felsenleuten in den Bergen. Überall sprach man ehrfürchtig von der Schülerin des alten Schamanen. Beim letzten Sonnentanz war sie Dritte beim Pferderennen der jungen Krieger geworden, und auf der Jagd hatte sie eine fette Hirschkuh erlegt. Nur Roter Mond, Kleiner Falke und Laufende Antilope, ein Junge der Waldleute, waren besser als sie gewesen. Noch war sie zu jung, um an den heiligen Handlungen und der Erneuerung der vier heiligen Pfeile teilzunehmen, aber sie hatte mit leuchtenden Augen vor der Medizinhütte gestanden und ein Gebet für Gelber Wolf gesprochen. Noch zwei oder drei Winter, und sie würde selbst an den Feierlichkeiten teilnehmen.
Der Sonnentanz, ein Fest der Begegnung und Erneuerung, gab dem Volk neue Kraft. Büffelhöcker führte Zwiegespräche mit den guten Geistern und suchte den Mut, den er für seine Kriegszüge brauchte. Weißes Pferd und Läuft-rückwärts verstärkten ihre Abwehrkräfte gegen Spötter und Neider und erneuerten ihre Bereitschaft, in jeden Kampf zu gehen. Bärenkopf suchte die Weisheit, die er als Ratshäuptling und Anführer der Hügelleute brauchte. Sieht-hinter-die-Berge führte lange Gespräche mit dem Süße-Medizin-Häuptling und erneuerte die heiligen Pfeile, die das Schicksal des Volkes bestimmten. Er betete und fastete und
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