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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Flackern, das ihn verzauberte und an törichte Dinge denken ließ. Er hatte schon daran gedacht, das Mädchen zu einem Ritt in die Berge einzuladen.
    »Habt ihr schon gehört«, sagte sie zu ihren Freundinnen, »Roter Mond war heute Nacht unterwegs. Er hat die Flöte gespielt.« Sie blickte Otterfrau mit einem schelmischen Grinsen an. »Er will dich heiraten, Otterfrau. Er will mit dir ein Tipi teilen.«
    »Ist nicht wahr«, erwiderte Otterfrau, »wir haben nur miteinander geredet. Er hat mir erzählt, wie er seinen ersten Büffel erlegt hat. Er hat mir gesagt, was für ein toller Krieger er ist.«
    »Er ist ein Angeber«, warf Schlangenfrau ein.
    Blitzfrau nickte. »So wie Kleiner Falke. Sie halten sich für tolle Krieger, weil sie gerade auf einem Pferd sitzen können.« Sie lachte. »Ihr habt ja gesehen, wie lange Kleiner Falke im Sattel geblieben ist. Große Krieger und Jäger … pah!«
    Kleiner Falke spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er wurde nicht gern an sein Missgeschick erinnert. Es war schon ein paar Monde her, aber die Mädchen redeten immer noch darüber. Sogar die Erwachsenen lachten ihn aus. Der-aus-dem-Sattel-fällt hatte Dachs ihn getauft. Er ballte die Hände zu Fäusten. Aiee, sie hatten kein Recht, so über ihn zu reden. Er war ein guter Reiter, und es machte ihm Spaß, sein Können zu zeigen, aber er war kein Angeber. Er besaß keine magischen Kräfte wie Büffelfrau, und er wollte nicht ständig im Mittelpunkt stehen wie Blitzfrau. Aiee, er würde es ihnen heimzahlen!
    Er schlich geduckt zu seinem Pony zurück, das er hinter einer Bodenwelle an einen Busch gebunden hatte. Mit einem Satz war er auf dem Rücken des Tieres. Er hatte sich feuchte Erde ins Gesicht geschmiert und einen Teil seiner Haare zu einem Knoten gebunden, damit er wie ein Shar-ha aussah. »An diesen Tag werdet ihr noch in fünf Wintern denken«, sagte er leise. Er nahm die Zügel auf, zog die Kriegsaxt, die er von seinem Vater bekommen hatte, und trieb das Pony in einen schnellen Galopp.
    Mit den Strahlen der tief stehenden Sonne ritt er über den Hügelkamm. »Hiiaah! Hiiaah!«, stieß er den Kriegsruf der Shar-ha aus. Er hielt genau auf die Mädchen zu und schwang drohend seine Axt. Im rasenden Galopp sprengte er den grasbedeckten Hügel hinab. »Hiiaah! Hiiaah!«, rief er immer wieder.
    Die Mädchen erstarrten vor Schreck. Sie blickten angsterfüllt in die Sonne und sahen die schemenhafte Gestalt eines angreifenden Kriegers. Büffelfrau fasste sich als Erste. »Shar-ha! Shar-ha!«, rief sie. Die anderen Mädchen rannten davon, aber sie schwang ihren Wurzelgrabstock wie eine Waffe und stellte sich dem vermeintlichen Feind entgegen. »Wehrt euch!«, rief sie wütend. »Lauft nicht davon! Er ist allein! Kommt zurück!«
    Aber da war Kleiner Falke schon heran und ritt die Behälter mit den gesammelten Wurzeln über den Haufen. Lachend gab er sich zu erkennen. »Ich bin Kleiner Falke«, rief er, »warum lauft ihr denn weg? Habt ihr Angst, dass ich eure Wurzeln aufesse?« Er riss sein Pony herum und löste seine Haare. Die Genugtuung über seinen gelungenen Streich stand in seinem Gesicht. »He, Büffelfrau! Willst du gegen mich kämpfen?«
    Büffelfrau war wütend und zeigte es dem jungen Krieger. »Ich bin bereit, du Aufschneider! Steig von deinem Pony und zeig, was du kannst! Oder muss ich dich erst runterwerfen?«
    »Ich kämpfe nicht gegen Mädchen«, erwiderte Kleiner Falke. Er warf einen schnellen Blick auf Blitzfrau und ritt lachend davon.
    »Angeber!«, schimpfte Büffelfrau.
    Blitzfrau trat neben sie und griff nach ihrer Hand. »Ärgere dich nicht«, beruhigte sie ihre Freundin, »er hat es uns nur heimgezahlt. Du musst zugeben, es war ein guter Streich.«
    »Pah.«
    »Du kannst nicht verlieren, Büffelfrau.«
    »Ich weiß«, gab das Mädchen zu. Sie ging wütend ein paar Schritte und blieb stehen. Dann lächelte auch sie. »Aber du hast recht, es war ein guter Streich. Er ist ein tapferer Krieger.« Sie blickte ihre Freundin neugierig an.
    »Du magst ihn, was?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Du magst ihn.«
    »Und wenn?«, fragte Blitzfrau beinahe vorwurfsvoll »Er macht bei den Fuchssoldaten mit. Er wird viele Coups schlagen.«
    »Ja«, bestätigte Büffelfrau, »das ist wahr.«
    »Es ist wahr«, sagte auch Blitzfrau. Damit war ihre Unterhaltung beendet, und sie kehrten zu den anderen Mädchen zurück.

9
Träume
    Büffelfrau wuchs zu einer jungen Frau heran. In ihrem zwölften Winter waren bereits weibliche

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