Das Lied der Cheyenne
Warum ging sie bei Sieht-hinter-die-Berge in die Lehre? Warum benahm sie sich wie ein Mann? War sie mit Weißes Pferd verwandt, der nur Männer lieben konnte? Nein, sie mochte es, wenn Weißer Biber ihr bewundernd nachblickte. Der junge Krieger folgte ihr seit einigen Wochen und legte es anscheinend darauf an, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Wenn sie ihn anblickte, lächelte er scheu, und wenn sie abends aus dem Tipi des Schamanen trat, war er in der Nähe und wartete ungeduldig darauf, dass sie endlich ein Einsehen hatte und das Wort an ihn richtete.
Büffelfrau mochte den jungen Krieger, aber sie war noch nicht so weit. Sie wollte ihre Lehre bei dem Schamanen abschließen, in den Bergen fasten und ihre Vision erfahren. Sie wollte beim Sonnentanz leiden und die Aufgaben erfüllen, die Maheo ihr gestellt hatte. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie heiraten durfte. Was geschah, wenn ihr Schutzgeist verlangte, dass sie keusch blieb? Was war, wenn ihre Aufgabe so gewaltig war, dass sie keine Zeit für eine Ehe hatte? Nein, sie musste warten. Noch wusste sie nicht, was sie erwartete. Wenn der Schamane sagte, dass sie genug wusste, würde sie in die heiligen Berge gehen und fasten. Ihr Schutzgeist würde sagen, ob sie auf die Werbung des jungen Kriegers antworten durfte.
Das sagte sie auch Otterfrau, die immer wieder vom Heiraten anfing und leise kicherte, wenn Weißer Biber in der Nähe war. »Sag ihm, dass ich noch Zeit brauche«, trug sie ihrer Freundin auf. Es schickte sich nicht, den Jungen direkt anzusprechen. »Ich mag ihn, aber ich muss meinen Weg gehen und das tun, was die Geister von mir verlangen. Sag ihm das, Otterfrau.«
Weißer Biber war sehr enttäuscht und ließ sich tagelang nicht blicken. Er ritt auf die Jagd und erlegte eine Antilope, und er schwor, ein sehr tapferer Krieger zu werden. Erst als der Mond voll wurde, warb er wieder um Büffelfrau. Die anderen Jungen lachten ihn aus, weil es sinnlos schien, die Schülerin des Schamanen zu begehren, aber er ließ sich nicht beirren.
»Du hast keine andere Wahl«, sagte Sieht-hinter-die-Berge, der längst erkannt hatte, wie es um Büffelfrau stand. »Du musst warten, bis du deinen Schutzgeist getroffen hast.«
»Ei-e-ya, Onkel.«
Der Schamane nickte zufrieden. Das Mädchen war gelehrig und wusste jetzt fast alles, was sie für ihre Aufgabe brauchte. In zwei oder drei Monden, wenn der Sonnentanz vorüber war, würde sie in die heiligen Berge ziehen und ihre Vision suchen. Dann war es Zeit für ihn, auf die andere Seite zu gehen. Er hatte mehr als siebzig Winter gesehen und wollte nicht so enden wie Berührt-die-Wolken, der jeden Tag gefüttert werden musste.
»Maheo«, betete er, als sie das alte Gras verbrannten und auf die Rückkehr der Büffel warteten, »du hast mir viele Winter geschenkt, und ich habe für dich gesungen und versucht, meine Aufgabe zu erfüllen. Es war ein gutes Leben, Maheo, und ich bin stolz darauf, eine würdige Nachfolgerin gefunden zu haben. Beschütze sie, Maheo. Wache über sie. Ich werde im nächsten Mond meine letzte Büffeljagd erleben und beim Sonnentanz zum letzten Mal die heiligen Pfeile erneuern. So sind die Bilder in meinen Träumen, und so soll es sein. Ich habe gesprochen.«
10
Albtraum
Im Mond, wenn die Bäume blühen, blutete Büffelfrau zum ersten Mal zwischen den Beinen. Sie war darauf vorbereitet und hatte keine Angst. »Mutter, ich blute«, sagte sie zu Weidenfrau, und die erzählte es Büffelhöcker, und der trat aus dem Tipi und verkündete es im ganzen Dorf. »Mein Herz ist stolz«, rief er, »denn meine Tochter ist heute Nacht zur Frau geworden.« Er band eines seiner besten Ponys los und gab es einem jungen Krieger, der keine Eltern mehr hatte.
Büffelfrau hörte die Aufregung im Dorf und die laute Stimme des Ausrufers, der die Neuigkeit verbreitete. Es erfüllte sie mit Stolz, ihren Namen aus dem Mund von Dachs zu hören. Sie stellte sich vor, wie ihre Freundinnen und die jungen Krieger reagierten, und ihre Wangen glühten vor Aufregung, als sie an Weißer Biber dachte, der sie jetzt auch als Frau begehrte. Zum ersten Mal in ihrem Leben dachte sie daran, wie es sein würde, wenn sie verheiratet war und Kinder bekam. Würde sie immer noch den Wunsch verspüren, auf den Kriegspfad zu ziehen?
»Du weißt, was zu tun ist«, sagte Weidenfrau, nachdem sich die Aufregung gelegt hatte. »Deine Großeltern sind tot, und ich werde die Mutter von Windfrau rufen.«
So war es Brauch bei den tsis tsis tas. Eine
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