Das Lied der Cheyenne
wird. Aiee, ich habe beide auf dem Kriegspfad gesehen und weiß, was ich sage.«
»Du erfüllst mein Herz mit Stolz«, erwiderte Bärenkopf. »Sie werden ihre Flügel ausbreiten wie junge Adler, die zum ersten Mal von einem Felsen abheben und nach Beute suchen.« Wenn er etwas Wichtiges sagen wollte, sprach der alte Mann gern in Bildern. Er klopfte seine Pfeife aus und fügte schelmisch lächelnd hinzu: »Habe ich euch schon erzählt, wie Kojote die Shar-ha reingelegt hat?«
Natürlich hatte der Häuptling diese Geschichte schon einmal erzählt, diese und viele andere. Kojote tauchte häufig in den Erzählungen des Volkes auf und war für seine derben Streiche bekannt. Er besaß übernatürliche Kräfte, aber er geriet immer wieder in Schwierigkeiten, und es lag an der Erzählkunst eines Geschichtenerzählers, wie er Kojote daraus befreite.
Bärenkopf war ein guter Geschichtenerzähler. Die Abenteuer mit dem listenreichen Kojote waren seine Spezialität, und einige der älteren Leute behaupteten sogar, er wäre mit ihm verwandt. Das stimmte natürlich nicht, aber wenn der Häuptling guter Laune war, lachte er genauso schelmisch, und man merkte, dass die Geister ihm nicht nur die Weisheit eines erfahrenen Ratshäuptlings mitgegeben hatten. Diesmal erzählte er, wie Kojote durch unbekanntes Land wanderte.
»Er trug einen schweren Sack auf dem Rücken«, berichtete Bärenkopf, »und er sah sehr müde aus. Auf der Prärie stolperte er über einen Erdhaufen. Viele Präriehunde kamen, und einer fragte: ›Mein Freund, wohin gehst du?‹ Kojote antwortete: ›Ich gehe nach Norden, um dort für meine Freunde zu singen.‹ Der Präriehund fragte: ›Was hast du in dem Sack?‹ Er antwortete: ›Meine Lieder.‹ Der Präriehund sagte: ›Sing für uns.‹ Kojote hatte wenig Zeit, aber er verspürte großen Hunger und stimmte zu. ›Ich singe ein Lied für euch, damit ihr tanzen könnt.‹ Kojote bat die Präriehunde, die am fettesten waren, direkt vor ihm zu tanzen. ›Ihr müsst die Augen schließen, wenn ihr tanzt!‹, sagte er. ›Das ist wichtig.‹ Er begann zu singen, und sie schlossen die Augen und tanzten. Kojote aber nahm den Sack von seinem Rücken und packte eine Keule aus. Er erschlug die fetten Präriehunde und lachte, als die anderen verschwanden. Dann zündete er ein Feuer an und briet die erlegten Tiere.«
Kojote war ein großer Held in der mythenreichen Welt der tsis tsis tas, und es gab viele Krieger, die alles gegeben hätten, um seinen Namen tragen zu dürfen. Kleiner Falke gehörte dazu. Er bewunderte den listenreichen Helden und sein Geschick, die anderen hereinzulegen und sich gekonnt in Szene zu setzen. Kojote brauchte kein Gewehr. Er brauchte keine Lanze, keinen Bogen und kein Messer. Ihm genügten sein Verstand und eine Holzkeule. Er war den Menschen überlegen, weil er schlauer als sie war. So wie diese beiden Mädchen, die ihn vor einigen Wintern bloßgestellt hatten. Büffelfrau, die auf den Kriegspfad ziehen wollte und bei Sieht-hinter-die-Berge in die Lehre ging. Blitzfrau, die dicke Spaßmacherin. Ho, er konnte von Glück sagen, dass sie keine Shar-ha gewesen waren. Sie hatten ihn wie einen dummen Jungen aussehen lassen.
Er ärgerte sich noch viele Monde später über den gelungenen Streich der Mädchen. Seine Stirn wurde nur glatt, wenn er daran dachte, wie er sich revanchiert hatte. Er war nicht so listenreich wie Kojote gewesen, aber er hatte die Mädchen erschreckt und ihnen große Angst eingejagt. Es war im Mond der Pflaumen gewesen, an einem sonnigen Herbsttag.
Büffelfrau und Blitzfrau waren bei den jungen Frauen, die auf der Prärie nach Wurzeln gruben. Die junge Medizinfrau ging nur noch selten mit den Frauen nach draußen, und er hatte lange warten müssen, bis sie mit ihrer dicken Freundin in die Falle gegangen war. Aus seinem Versteck hinter einigen Felsen beobachtete er, wie die Frauen arbeiteten und sich dabei angeregt unterhielten. Otterfrau war bei ihnen, schön und schlank und bei Roter Mond in festen Händen. Büffelfrau, die geheimnisvolle Schülerin des alten Schamanen. Die raffinierte Schlangenfrau, die beim Reifenspiel jeden austrickste. Blitzfrau, die dicke Spaßmacherin. Sie sah nicht so gut aus wie die anderen, und es gab junge Männer, die sie wegen ihrer rundlichen Figur auslachten. Kleiner Falke gehörte nicht dazu. Er mochte die Spaßmacherin, weil sie mit beiden Beinen auf dem Boden stand und das Leben so nahm, wie es kam. In ihren Augen war ein ständiges
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