Das Lied der Cheyenne
sich wieder an ihre Mutter. »Was ist mit den Pferden? Wer hat sie bewacht?«
Weidenfrau nannte den Namen eines Jungen, der bei Dachs aufgewachsen war. »Er ist tot«, sagte sie, »die Shar-ha haben ihn erschossen und alle Pferde gestohlen.«
»Ein schlechter Tag.«
»Ja.«
Büffelfrau umarmte ihre Mutter und drückte sie fest. »Ich muss gehen«, sagte sie, »ich muss den Kriegern folgen.«
»Ich weiß.«
Sie standen auf, und Weidenfrau verschwand im Tipi und kam mit einer langstieligen Pfeife und einem Beutel mit Tabak wieder. Der Kopf der Pfeife war aus schwarzem Stein gefertigt. »Für dich«, sagte Weidenfrau, »dein Vater hat sie für dich geschnitzt. Halte sie in Ehren und rauche sie, wenn die Geister es verlangen. Ich bete für dich, meine Tochter.«
Büffelfrau nahm die Pfeife und den Beutel. »Ha-ho«, sagte sie gerührt, »ich danke dir.« Sie verstaute beides in ihrer Ledertasche und stieg auf ihr Pony.
»Du wirst unser Volk retten, Büffelfrau!«
»Die Geister werden uns beistehen«, sagte die Schamanin. Sie hob eine Hand zum Gruß und ritt aus dem Dorf. Die Hufschläge ihres Ponys verhallten in dem Dunst, der über den Tipis lag.
21
Kriegsrat
Die Häuptlinge der tsis tsis tas saßen am großen Feuer, als Büffelfrau das Dorf der Flussleute erreichte. Sie hatte den Fluss an einer flachen Stelle überquert und war von den Spähern respektvoll begrüßt worden. Drei Tage lang war sie durch die Schluchten und Täler der heiligen Berge geritten. Abends hatte sie gebetet und ihren Schutzgeist angerufen, aber der weiße Büffel war nicht erschienen. Sie hatte es als schlechtes Zeichen empfunden und war noch nachdenklicher geworden.
Auf einer Anhöhe, knapp zwei Tagesritte vom Dorf der Hügelleute entfernt, hatte sie Otterfrau getroffen. Die Freundin war nach dem Überfall in die Berge geritten und hatte in der Einsamkeit versucht, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.
»Ich habe für Roter Mond und die anderen Krieger gebetet«, sagte sie, nachdem sie einander stumm umarmt hatten, »aber ich bin keine Medizinfrau. Du kannst das besser.«
»Ich habe es versucht«, erwiderte Büffelfrau. Sie dachte an den kleinen Jungen, der neben seinen Eltern geweint hatte. »Reite nach Hause, Otterfrau. Kümmere dich um die Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Du wirst gebraucht.«
»Ich habe Angst um Roter Mond.«
»Seid ihr verheiratet?«
»Ja«, antwortete Otterfrau. Zum ersten Mal seit dem Überfall lächelte sie. »Er ist ein tapferer Krieger, und es lag nicht an ihm, dass die Shar-ha so viele von uns getötet haben. Er hat drei Skalps genommen.«
»Reite nach Hause, Otterfrau.«
»Kommst du mit?«
Büffelfrau schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Die Krieger warten auf mich. Ich reite mit ihnen. So will es mein Schutzgeist, und so will es Maheo.«
»Sag Roter Mond, dass ich ihn vermisse.«
»Das will ich tun.«
Jenseits des Flusses wurde Büffelfrau von den Spähern der Flussleute empfangen. Sie ließ ihr Pony am Ufer zurück, wo es saftiges Gras gab, und lief zum Feuer, das unheilvoll in der Dunkelheit leuchtete. Ihr Gesicht war hart geworden während der letzten Tage, ihre Augen kalt und unnachgiebig, doch im sanften Schein der Flammen war sie fast so schön wie Otterfrau, bevor die Shar-ha gekommen waren, und ihre Augen glitzerten noch geheimnisvoller und leidenschaftlicher. Sie war zu einer reifen Frau herangewachsen, zu einer stolzen tsis tsis tas mit schmalen Hüften und langen Beinen und einer Ausstrahlung, die selbst die weisen und alten Männer am Feuer verzauberte.
Es wurde still, als Büffelfrau ans Feuer trat. Sie hielt die neue Pfeife in der rechten Hand. Sie hatte vorgehabt, sich abseits der Ratsversammlung niederzulassen, aber Kleiner Wolf begrüßte sie und forderte sie auf, sich zu den Männern zu setzen. Sie verbeugte sich respektvoll und gesellte sich zu den jungen Kriegern. Sie sah die Anspannung in den Gesichtern von Roter Mond und Weißer Biber, und sie spürte die verzweifelte Wut von Kleiner Falke, der krampfhaft seinen Bogen umklammerte.
Weißer Biber saß keine zwei Schritte entfernt von ihr, wagte aber nicht, sie anzusprechen. Ein schneller Blick, ein schüchternes Lächeln, mehr zeigte auch Büffelfrau nicht. Sie mochte den jungen Krieger, der zu einem starken und stattlichen Mann herangewachsen war, sie mochte ihn sogar sehr und konnte sich gut vorstellen, ein Tipi mit ihm zu teilen, aber sie musste immer daran denken, was der Weiße Büffel zu ihr gesagt
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