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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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war auf dem Kriegspfad, die Männer, Frauen und sogar die Kinder. Wir überraschten die Shar-ha im Schlaf und durchbohrten sie mit unseren Pfeilen. Ah, es war ein guter Anblick, aber mein Herz wurde nicht froh, denn aus jedem toten Shar-ha sprang ein neuer Shar-ha, und manche von ihnen waren weiß und schossen mit neuen Gewehren auf uns.«
    Betretene Stille machte sich breit. Auch Büffelfrau war nachdenklich geworden und überlegte, was dieser Traum mit ihren Träumen zu tun haben konnte. Die Gestalten am Feuer, die Hand, die nach den Pfeilen griff … waren das Ve-hos? War ihr Schicksal mit dem Auftauchen dieses seltsamen Volkes verknüpft? Hatten die Geister bestimmt, sie in einem aussichtslosen Krieg zu opfern? Sie sah die Ratlosigkeit in den anderen Gesichtern, sogar bei Bärenkopf und ihrem Vater, und wartete darauf, dass Kleiner Wolf eine Entscheidung traf. Er war ein weiser Häuptling.
    Wolfsgesicht hob drohend eine Faust. Die Narben in seinem Gesicht glühten, ein Zeichen dafür, wie erregt er war. »Ich habe Respekt vor deinen Träumen«, verneigte er sich vor dem obersten Ratshäuptling, »aber ich bin nicht bereit, die feigen Hunde der Shar-ha zu schonen. Sie haben unsere Frauen und Kinder getötet. Dafür haben sie den Tod verdient!«
    Zustimmendes Gemurmel wurde laut. »Wolfsgesicht hat recht!«, rief Büffelhöcker. Seine Stirnadern waren angeschwollen. Weißes Pferd schlug mit der Faust auf den Boden und rief: »Krieg!« Kleiner Falke zog ein Messer und ließ die Klinge blitzen. Läuft-rückwärts schüttelte heftig den Kopf und tat auf seine Weise kund, was er über den Vorschlag des Schamanen dachte. Fast alle Krieger der Hügelleute stimmten Wolfsgesicht zu. Nur Büffelfrau blieb nachdenklich. Sie beobachtete ihre aufgebrachten Stammesbrüder und dachte über Weißer Biber nach, der genauso wütend war wie Roter Mond und die anderen. Würde er die Pfeile tragen, wenn es zu einem Krieg kam? Und würde sie auf dem Kriegspfad erfahren, was die unheilvollen Bilder aus ihren Träumen bedeuteten? War ihre Medizin stark genug, um Weißer Biber am Leben zu erhalten, oder hatten die Geister schon vor vielen Wintern seinen Tod bestimmt?
    »Ich sage: Tötet die Shar-ha!«, rief Wolfsgesicht den Kriegern zu. »Tötet auch die weißen Männer, die Kleiner Wolf in seinem Traum gesehen hat! Die tapferen Krieger der tsis tsis tas sind stark genug, gegen jeden Feind zu bestehen!« Er reckte wieder eine Faust empor und genoss die Zustimmung, die er in den Gesichtern seiner Brüder sah.
    Kleiner Wolf blieb sitzen und reagierte mit ausdrucksloser Miene auf die Worte des Schamanen. Er war ihm nicht böse. Die Ratsversammlung war dazu da, dass man einander die Meinung sagte. Sie waren Freunde, und gerade von einem Freund erwartete er, dass er offen und ehrlich seine Meinung vertrat. Die besseren Argumente sollten gewinnen.
    Er entdeckte das nachdenkliche Gesicht von Büffelfrau im Feuerschein und rief ihren Namen. »Du hast lange geschwiegen«, sagte er, »was würdest du tun?«
    Büffelfrau blickte in die erwartungsvollen Gesichter der Männer. Du wirst für eine bessere Zukunft unseres Volkes kämpfen, hatte der alte Sieht-hinter-die-Berge gesagt. »Hört mich an, meine Brüder!«, rief sie. »Auch ich hatte einen Traum. Ich sah, wie eine Hand nach den heiligen Pfeilen unseres Volkes griff. Die Shar-ha haben unsere Existenz bedroht, und es liegt an uns, sie dafür zu bestrafen. Auch ich ehre den Traum unseres Häuptlings, obwohl ich weiß, dass es auch gute Weiße gibt.« Sie wusste nicht, warum sie das sagte. »Die Geister haben es mir verraten. Ich schlage vor, die Shar-ha mit einem kleinen Trupp anzugreifen. Die Krieger der Hügelleute sind stark genug, sich an den feigen Hunden zu rächen. Wir werden ihre Späher umbringen und unsere Pferde zurückholen. Und wir werden in ihr Dorf reiten und ihre besten Büffelponys stehlen. Wolfsgesicht wird die heiligen Pfeile erneuern und für uns beten.«
    Sie war geschickt vorgegangen und hoffte, dass die Krieger auf ihren Vorschlag eingingen. Wenn ein kleiner Trupp gegen die Shar-ha ritt, wurde die große Schlacht vermieden, die ihr Schutzgeist angedroht hatte, und wenn Wolfsgesicht die Pfeile erneuerte und in den Bergen betete, würde Weißer Biber sie nicht in den Kampf tragen und sein Leben riskieren.
    Aber es hatte keinen Sinn, sich gegen etwas aufzulehnen, was die Geister vor langer Zeit beschlossen hatten.
    »Ich werde mit euch auf den Kriegspfad reiten«, entschied

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