Das Lied der Cheyenne
beiden anderen Krieger nickten begeistert.
Der Kleinere von ihnen trug seine Haare offen und über den halben Rücken hinab, der andere hielt ihr seine Hand entgegen und lachte, als sie ängstlich zurückwich. Die Hand war verkrüppelt und seltsam gekrümmt.
Der Anführer der Shar-ha benutzte die Handzeichen, die von allen Prärievölkern verstanden wurden. »Ich grüße dich, meine Prinzessin«, sagte er. »Wie heißt du?«
»Ich bin Büffelfrau, die heilige Frau des Volkes«, antwortete sie. »Warum nennst du mich Prinzessin? Ich bin eine tsis tsis tas. Warum habt ihr mich nicht getötet?«
»Du bist die auserwählte Frau«, erwiderte der Krieger. Er begleitete seine Zeichen mit Wörtern in seiner Sprache. »Ich bin Singende Krähe, ein Häuptling der cha-hik-sicha-hiks. Das sind Langes Haar und Gekrümmte Hand. Wir sind gekommen, dich in unser Dorf zu bringen. Der xinesi wartet auf dich.«
Büffelfrau kannte das Zeichen für xinesi nicht und blickte den Häuptling fragend an. »Wer ist das? Ein Anführer?«
»Ein heiliger Mann, ein Priester. Er weiß, was die Sonne und der Mond und die anderen Götter denken, und er kennt den Weg, den die Sterne gehen. Er ist ein großer Mann.«
»Was will er von mir?«
»Er will dich ehren.«
Büffelfrau wunderte sich. »Warum sollte mich der Mann eines Volkes ehren, das die heiligen Pfeile gestohlen hat? Er ist unser Feind. Unser Todfeind. Alle Shar-ha sind unsere Feinde.«
»Du bist unsere Freundin.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Du wirst sehen«, sagte Singende Krähe. Er berührte seine Brust mit der rechten Hand und zeigte ihr seine Ehrerbietung. In seinen Augen waren Bewunderung und Respekt zu erkennen. Er half ihr vom Boden hoch und hielt ihre Hand länger als nötig, dann trat er einen Schritt zurück und blickte sie verwirrt an. Er sagte etwas zu seinen Begleitern und wiederholte es unwirsch, als sie nicht antworteten. Langes Haar und Gekrümmte Hand reagierten erschrocken und gingen davon. Sie banden die Ponys los und blieben in respektvoller Entfernung stehen.
Singende Krähe brummte etwas. »Gib mir deine Waffen«, sagte er. Er deutete auf den Bogen in ihrer rechten Hand und das Messer an ihrem Gürtel. Es klang nicht wie ein Befehl, aber Büffelfrau wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm die Waffen auszuhändigen.
»Warum?«, fragte sie dennoch.
»Du bist unsere Prinzessin … unsere Freundin«, erklärte er, »du brauchst keine Waffen. Wir beschützen dich. Du bist die auserwählte Frau unseres Priesters. Du bist heilig.«
Büffelfrau verstand ihn nicht. Die Zeichen waren eindeutig, machten aber nur wenig Sinn. Er war ein Häuptling der Shar-ha und ein Todfeind ihres Volkes. Warum tötete er sie nicht? Warum nannte er sie eine Prinzessin, eine Freundin, die auserwählte Frau des Priesters? Sollte sie die Frau eines heiligen Mannes werden? Hatte man die Krieger deshalb geschickt? Und warum blickte der Mann, der sich Singende Krähe nannte, sie so respektvoll an? Hatte der Große Geist die Shar-ha verwirrt?
»Wenn ich eure Freundin bin, kann ich keine Gefangene sein«, erwiderte sie fest. »Ich behalte meine Waffen!«
Die Miene des Häuptlings veränderte sich. Seine Augen sprühte Funken, als er mit einer plötzlichen Bewegung nach ihr griff und den Bogen aus ihrer Hand wand. Sie zog ihr Messer, aber da waren Langes Haar und Gekrümmte Hand bei ihr und hielten sie an beiden Armen fest. Das Messer fiel auf den Boden, und Singende Krähe hob es auf und schob es hinter seinen Gürtel. »Fesselt sie!«, sagte er zu seinen Begleitern.
Büffelfrau wurde mit einer Rohhautschnur an den Händen gefesselt und auf eines ihrer Ponys gesetzt. Dann wurden ihre Füße unter dem Bauch des Tieres zusammengebunden. Sie fluchte in ihrer Sprache, aber Singende Krähe war nicht mehr wütend und benahm sich jetzt wie ein befreundeter Krieger, der sie in sein Dorf eingeladen hatte. Er reichte ihr sogar seinen Wasserschlauch, aber sie schüttelte heftig den Kopf und presste ihre Lippen trotzig zusammen. Was hast du mit mir vor, betete sie still zu Maheo, warum lässt du dies geschehen?
Singende Kälte übernahm die Führung. Hinter ihm ritt gefesselt Büffelfrau, dann folgten die beiden anderen Krieger. Langes Haar führte das Ersatzpony am Zügel. Sie ritten aus der kleinen Schlucht und folgten einem ausgetretenen Pfad, der über die hügelige Prärie und an einem See entlangführte. Die Ufer waren mit kniehohem Schilf bewachsen. Ein Kranich erhob sich aus
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