Das Lied der Dunkelheit
stemmten.
Plötzlich gewahrten die Horclinge Arlen, und entzückt kreischend stürzten sie sich auf den hilflosen Jungen.
Ein Winddämon ging sogleich in den Sturzflug und schlug als Erster zu; mit weit vorgereckten Flügelkrallen wollte er Arlen die Kehle aufreißen. Arlen schrie vor Schreck, doch ein Funkenschauer sprühte, als die Klauen des Horclings gegen den Schutzschirm seiner Siegel prallten; die Magie tat ihre Wirkung, und der Angriff scheiterte. Der Schwung trug den Dämon jedoch weiter, sein Körper krachte gegen den Schild und wurde in einer flirrenden Energieentladung zurückgeschleudert. Die Kreatur stieß ein fürchterliches Geheul aus, als sie auf den Boden knallte, rappelte sich jedoch unverzüglich wieder auf und führte unter Zuckungen einen bizarren Tanz auf, während das magische Feuer über seine schuppige Haut flackerte.
Die quirligen Flammendämonen griffen als Nächste an; die kräftigsten von ihnen waren nicht größer als ein Hund. Quäkend trippelten sie nach vorn und begannen, mit ihren Krallen an dem magischen Schirm zu zerren. Jedes Mal, wenn die Siegel in einem hellen Gleißen aufblitzten, zuckte Arlen zusammen, aber die Magie hielt den Attacken stand. Als die winzigen Dämonen merkten, dass Arlen ein wirksames Netz um sich gewoben hatte, bespuckten sie ihn mit Feuer.
Selbstverständlich kannte Arlen diesen Trick. Er hatte Schutzsymbole gezeichnet, seit er alt genug war, um einen Holzkohlestift in die Hand zu nehmen, und er beherrschte die Zeichen, die einen vor dem feurigen Speichel abschirmten. Die Flammengarben wurden genauso nachdrücklich abgewehrt wie die Krallen. Er spürte nicht einmal die Hitze.
Horclinge scharten sich um das Spektakel, und bei jedem Lichtblitz, der von den Siegeln ausging, konnte Arlen mehr und mehr Dämonen sehen; eine grausige Horde, die danach gierte, ihm das Fleisch von den Knochen zu reißen.
Weitere Winddämonen rauschten heran, nur um von den Siegeln zurückgeworfen zu werden. Nun gingen auch die Flammendämonen
dazu über, in ihrer Wut und Enttäuschung gegen den Schutzwall anzurennen; sie nahmen es in Kauf, sich von der Magie verbrennen zu lassen, in der Hoffnung, den Ring aus Symbolen irgendwann einmal gewaltsam zu sprengen. Doch jede neue Attacke wurde abgefangen. Arlen zuckte nicht mehr bei jedem Angriff zusammen. Lauthals schreiend verfluchte er die Horclinge und verdrängte so seine Angst.
Sein Trotz trug dazu bei, den Zorn der Dämonen zu schüren. Nicht daran gewöhnt, von ihrer Beute verspottet zu werden, verdoppelten sie ihre Anstrengungen, um den Kreis zu durchdringen; die ganze Zeit über drohte Arlen mit den Fäusten und vollführte obszöne Gesten, wie sie manchmal die erwachsenen Einwohner von Tibbets Bach machten, wenn der alte Vielfraß ihnen den Rücken zukehrte.
Mit einer Mischung aus Staunen und Abneigung betrachtete er die außer Rand und Band herumtobenden Horclinge. Vor diesen Kreaturen hatte er sich gefürchtet? Diese Meute versetzte die Menschheit in Angst und Schrecken? Ein Rudel aus jämmerlichen, aufgebrachten Biestern? Im Grunde konnte man darüber lachen. Voller Verachtung spuckte er aus. Der Speichel verbrutzelte auf den Schuppen eines Flammendämons und brachte ihn umso mehr in Rage.
Plötzlich verstummte das misstönende Jaulen und Kreischen der Horde. Im flackernden Lichtschein der Flammendämonen sah er, dass die Meute sich teilte; die Kreaturen machten Platz für einen Felsendämon, der auf ihn zustapfte; jeder Schritt dieses Riesen schien ein kleines Erdbeben auszulösen.
Sein Leben lang hatte Arlen Horclinge aus der Ferne beobachtet, versteckt hinter Fenstern und Türen. Vor den entsetzlichen Ereignissen der letzten paar Tage war er noch nie mit einem voll ausgeformten Dämon draußen im Freien gewesen und hatte sich noch nie gegen einen direkten Angriff behaupten
müssen. Er wusste, dass es Horclinge von unterschiedlicher Größe gab, doch er hätte nicht im Traum geahnt, wie krass die Unterschiede ausfallen konnten.
Der Felsendämon war fünfzehn Fuß groß.
Der Felsendämon war ein Koloss.
Arlen legte den Kopf in den Nacken, als das Monstrum sich seinem Kreis näherte.
Selbst aus dieser Distanz glich der Dämon einer sich auftürmenden Masse aus Sehnen und scharfen Kanten. Sein dicker schwarzer Rückenschild war von knochigen Auswüchsen überzogen, und der mit Dornen bewehrte Schwanz peitschte hin und her, um die wuchtigen Schultern auszubalancieren. Das Ungeheuer ging vornübergebeugt auf zwei
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