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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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an, den Weg zurückzugehen. Doch schon nach dem ersten Schritt änderte er seine Meinung.
    Nein, beschloss er. Den Rückzug antreten ist Dads Art. Was immer passiert, ich gehe vorwärts.
    Arlen setzte sich wieder in Bewegung und ließ sowohl Tibbets Bach als auch Sonnige Weide hinter sich. Jeder Schritt nach vorn fiel ihm leichter als der vorhergehende. Er fühlte sich wie beflügelt.
    Stundenlang wanderte er auf der Straße entlang; schließlich hörte der Wald auf und wurde von Grasflächen abgelöst, endlosen, üppigen Wiesen, die noch keinen Pflug gesehen hatten und auch nicht als Viehweide dienten. Er gelangte auf eine Hügelkuppe und atmete tief die frische, saubere Luft ein. Aus dem Boden ragte ein wuchtiger Felsbrocken heraus, und Arlen kletterte auf die Spitze; sein Blick schweifte über eine große, weite Welt, die bis jetzt für ihn unerreichbar gewesen war. Nirgendwo sah er auch nur die geringsten Anzeichen für eine Besiedlung, es gab keinen Ort, an dem er Zuflucht hätte finden können. Er fürchtete sich vor der kommenden Nacht, aber das Gefühl blieb vage; genauso, wie man wusste, dass man einmal
alt werden und sterben würde, ohne dass die Angst vor diesem Los einen übermannte.
    Als der Nachmittag in den Abend überging, fing Arlen an, nach geeigneten Plätzen für sein Lager Ausschau zu halten. Eine Baumgruppe sah vielversprechend aus; darunter wuchs nur wenig Gras, und er konnte Schutzzeichen in den Boden ritzen. Doch dann kamen ihm Bedenken. Ein Baumdämon konnte in die Wipfel klettern und von oben in seinen Bannkreis hineinspringen.
    Ein kleiner, steiniger Hügel ohne Grasbewuchs zog seine Aufmerksamkeit auf sich; doch als Arlen auf der Kuppe stand, merkte er, wie kräftig dort oben der Wind blies, und er befürchtete, die Symbole könnten verweht und somit nutzlos werden.
    Schließlich gelangte Arlen an eine Stelle, die erst kürzlich von Flammendämonen verbrannt worden war. Noch durchstießen keine jungen Triebe die Asche, und als er mit dem Fuß scharrte, stieß er auf harten Untergrund. Er säuberte ein großes Areal von den Brandrückständen und begann, einen Siegelkreis zu zeichnen. Viel Zeit blieb ihm nicht, deshalb legte er ihn ziemlich klein an; keinesfalls wollte er es riskieren, in seiner Hast unvorsichtig zu werden.
    Mit einem spitzen Stock kratzte Arlen die Schutzzeichen in den Boden; losen Staub und Erdkrumen pustete er behutsam fort. Er arbeitete über eine Stunde lang, zeichnete ein Symbol nach dem anderen, wobei er häufig ein paar Schritte zurücktrat um sich von ihrer korrekten Ausrichtung zu überzeugen. Wie immer bewegten sich seine Hände flink, geschickt und absolut sicher.
    Als er mit dem Zeichnen fertig war, hatte er einen Kreis von sechs Fuß Durchmesser angelegt. Dreimal prüfte er die Siegel, fand jedoch keinen einzigen Fehler. Den Stock verwahrte er in
seiner Tasche, dann setzte er sich mitten in den Zirkel hinein; gespannt beobachtete er, wie die Schatten länger wurden und die Sonne tiefer wanderte.
    Vielleicht würde er in dieser Nacht sterben. Vielleicht aber auch nicht. Arlen versuchte sich einzureden, dass es keine Rolle spielte, was aus ihm würde. Doch mit dem schwindenden Licht sank gleichzeitig sein Mut. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, und instinktiv wäre er am liebsten aufgesprungen und weggerannt. Aber da gab es nichts, wohin er sich hätte flüchten können. Er war meilenweit vom nächsten Zufluchtsort entfernt. Obwohl es nicht kalt war, fröstelte er.
    Das war keine gute Idee, wisperte eine leise Stimme in seinem Kopf. Er befahl der Stimme zu schweigen, doch der tapfere Widerstand, mit dem er seine Zweifel und Ängste bekämpfte, nützte ihm wenig. Als die letzten Sonnenstrahlen erloschen und er in völlige Dunkelheit getaucht wurde, spürte er, wie sich sein ganzer Körper verkrampfte.
    Jetzt kommen sie, warnte ihn die ängstliche Stimme in seinem Kopf, während die ersten Nebelschwaden aus dem Boden aufstiegen.
    Langsam verdichtete sich der Dunst, und als die Dämonen aus der Tiefe nach oben krochen, gewannen ihre Leiber an Substanz. Auch Arlen stand auf und ballte seine kleinen Fäuste. Wie immer bildeten die Flammendämonen die Vorhut; ausgelassen tollten sie herum, eine Spur aus flackernden Flammen hinter sich her ziehend. Dann folgten die Winddämonen, die sofort losrannten, ihre ledrigen Schwingen spreizten und in die Luft sprangen. Zuletzt kamen die Felsendämonen, die mühsam ihre wuchtigen Körper aus dem Horc an die Erdoberfläche

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