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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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geworden, wenn der Wind die Linien verweht hätte?
    Großer Schöpfer, es hätte auch regnen können! Daran hatte er noch gar nicht gedacht.
    Wie viele Nächte konnte er auf diese Weise überleben? Wie lange konnte das überhaupt gutgehen? Arlen hatte nicht die geringste Ahnung, was hinter dem nächsten Hügel lag, und ob längs der Straße, die zu den Freien Städten führte, überhaupt noch jemand wohnte, bei dem er sich notfalls verkriechen konnte. Und bis er die Freien Städte erreichte, würden Wochen vergehen.
    Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Energisch wischte er sie ab und stieß ein trotziges Knurren aus. Sich von seinen Ängsten überwältigen zu lassen, war die Art, wie sein Vater Probleme löste. Und Arlen hatte hautnah miterlebt, dass diese feige Einstellung nichts nützte.
    »Ich habe keine Angst«, sagte er zu sich selbst. »Ich lasse mich nicht unterkriegen!«

    Arlen wusste, dass er sich etwas vormachte, doch entschlossen marschierte er weiter.
    Gegen Mittag erreichte er einen mit Felsen durchsetzten Flusslauf. Das Wasser war kühl und klar, und er beugte sich vor, um zu trinken. Bei der Bewegung schossen stechende Schmerzen durch seinen Rücken.
    Er hatte die Wunden nicht versorgt. Aber er konnte sie ja nicht zunähen, wie Coline es getan hätte. Ihm fiel ein, wie seine Mutter die Schrammen und Schnitte behandelt hatte, die er sich immer wieder mal zuzog; zuerst wusch sie sie gründlich aus.
    Mühsam streifte er sein Hemd ab; hinten war es zerfetzt und von geronnenem Blut verkrustet. Er tunkte es ins Wasser und sah zu, wie Dreck und Blut stromabwärts geschwemmt wurden. Zum Trocknen breitete er seine Sachen auf den Steinen aus, dann tauchte er selbst in das kalte Wasser ein.
    In dem eisigen Nass fingen seine Zähne an zu klappern, doch schon bald stellte sich in seinem Körper ein taubes Gefühl ein, und die Schmerzen wurden gelindert. Er säuberte sich, so gut es ging, und reinigte behutsam die brennenden Wunden, bis er es nicht mehr aushielt. Bis aufs Mark durchgefroren stieg er aus dem Wasser und legte sich neben seinen Kleidungsstücken auf die Felsen.
    Eine geraume Zeit später wurde er mit einem Ruck wach. Zu seinem Schrecken sah er, dass die Sonne weit über den Himmel gewandert war und der Abend nahte. Er hätte noch ein Stück weiter marschieren können, aber das Risiko wäre zu groß gewesen. Die ihm verbleibende Zeit konnte er besser nutzen, wenn er sich auf Maßnahmen zu seinem Schutz konzentrierte.
    In der Nähe des Flusses war der Boden über weite Strecken hinweg feucht; die Grasnarbe ließ sich leicht abtragen, und auf
diese Weise sicherte er sich einen geeigneten Raum, um einen Bannkreis zu erschaffen. Das lockere Erdreich trampelte er fest, glättete den Boden und schickte sich an, die magischen Symbole zu zeichnen. Dieses Mal legte er den Kreis größer an, und nachdem er ihn dreimal kontrolliert hatte, zog er darin einen zusätzlichen konzentrischen Kreis, um ganz sicher zu gehen. Der Wind konnte der feuchten Erde nichts anhaben, und am Himmel deutete nichts darauf hin, dass es in dieser Nacht regnen könnte.
    Zufrieden hob Arlen eine Grube aus, sammelte trockene Zweige und entzündete ein kleines Feuer. Als die Sonne unterging, hockte er mitten im inneren Zirkel und versuchte, seinen Hunger zu vergessen. Er löschte die Flammen, als der Himmel sich lavendelblau und dann violett eintrübte, und atmete tief durch, um sein heftig pochendes Herz zu beruhigen. Schließlich brach die Nacht an, und die Horclinge stiegen aus der Erde.
    Mit angehaltenem Atem saß Arlen da und wartete. Nicht lange, und ein Flammendämon witterte ihn; unter gellendem Gekreisch flitzte das Wesen auf ihn zu. In diesem Augenblick übermannte ihn wieder der Horror der vergangenen Nacht, und Arlen spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror.
    Die Horclinge bemerkten seine Schutzzeichen nicht, sondern stürmten geradewegs auf Arlen los. Als die ersten magischen Feuergarben aufflackerten, fiel dem Jungen ein Stein vom Herzen. Unermüdlich attackierten die Dämonen die schützende Barriere mit ihren Krallen, aber den Kreis vermochten sie nicht zu durchbrechen.
    Ein Winddämon, der in einer Höhe flog, wo die Wirkung der Siegel sich bereits abschwächte, passierte den ersten Ring; aber als er auf Arlen niederstoßen wollte, prallte er am zweiten Kreis ab und stürzte in den Raum zwischen den beiden Zirkeln.
Arlen bemühte sich, die Nerven zu behalten, als die geflügelte Kreatur sich wieder

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