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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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anderen Kräutern, ergeben einen Tee, der verhindert, dass der Samen im Schoß einer Frau zu keimen anfängt.«
    »Aber Fürsorger Michel sagt …«, begann Leesha.
    »Erspare mir diesen Blödsinn aus dem Heiligen Kanon«, schnitt Bruna ihr das Wort ab. »Dieses Buch wurde von Männern geschrieben, die sich keine Gedanken über die Probleme der Frauen machten.«
    Leesha klappte den Mund wieder zu.
    »Deine Mutter hat mich des Öfteren aufgesucht«, fuhr Bruna fort. »Sie stellte mir Fragen, half mir bei Arbeiten in der Hütte
und zerkleinerte Kräuter für mich. Ich hatte sogar in Erwägung gezogen, sie als meine Schülerin anzunehmen, aber alles, was sie von mir wollte, war die geheime Zusammensetzung dieses bewussten Tees. Nachdem ich ihr die Zutaten und ihre Dosierung verraten hatte, verließ sie mich und kam nie wieder zurück.«
    »Das sieht ihr ähnlich«, meinte Leesha.
    »Pomeranzentee schadet keiner Frau, wenn sie ihn maßvoll trinkt«, erklärte Bruna. »Aber Steave ist ein geiler Bock, und deine Mutter hat den Tee nur so in sich hineingeschüttet. Steave und deine Mam müssen es ein paar tausend Mal miteinander getrieben haben, ehe das Geschäft deines Vaters einen Aufschwung erlebte und sie sich für seinen Geldbeutel zu interessieren begann. Doch zu der Zeit war der Schoß deiner Mutter bereits verwelkt.«
    Neugierig sah Leesha die Alte an.
    »Nachdem Elona deinen Vater geheiratet hatte, versuchte sie zwei Jahre lang erfolglos, von ihm schwanger zu werden«, fuhr Bruna fort. »Steave vermählte sich mit irgendeinem jungen Ding und schwängerte sie praktisch über Nacht, was deine Mutter an den Rand der Verzweiflung trieb. Schließlich, als sie nicht mehr weiter wusste, kam sie wieder bei mir angekrochen und bat mich um Hilfe.«
    Leesha beugte sich gespannt vor; sie ahnte, dass ihre gesamte Existenz von dem abhing, was Bruna ihr gleich eröffnen würde.
    »Pomeranzentee darf nur in kleinen Mengen getrunken werden«, wiederholte Bruna, »und einmal im Monat sollte man damit aussetzen und zulassen, dass die Blutung eintritt. Die Frauen, die sich nicht daran halten, riskieren unfruchtbar zu werden. Ich hatte Elona gewarnt, aber sie war eine Sklavin ihrer Lenden und wollte nicht auf mich hören. Monatelang
verabreichte ich ihr Kräuter und prüfte ihren Monatsfluss. Obendrein gab ich ihr Kräuter, um sie unter das Essen deines Vaters zu mischen. Und dann wurde sie endlich schwanger.«
    »Mit mir«, ergänzte Leesha. »Meine Eltern haben mich gezeugt.«
    Bruna nickte. »Ich hatte große Angst um dich, Mädchen. Der Leib deiner Mutter war schwach, und wir wussten beide, dass sie keine zweite Chance bekommen würde. Jeden Tag kam sie zu mir und bat mich, nach ihrem Sohn zu schauen.«
    »Sohn?«, wunderte sich Leesha.
    »Ich sagte ihr rundheraus, dass es ebenso gut ein Mädchen sein könnte«, betonte Bruna, »aber Elona wollte nichts davon wissen. ›So grausam kann der Schöpfer nicht sein‹, pflegte sie zu sagen, wobei sie vergaß, dass derselbe Schöpfer auch die Horclinge erschaffen hat.«
    »Bin ich dann nichts weiter als ein grausamer Scherz des Schöpfers?«, fragte Leesha.
    Bruna nahm Leeshas Kinn in ihre knochigen Finger und zog ihr Gesicht nahe zu sich heran. Als die Alte wieder anhob zu sprechen, konnte Leesha über ihren runzligen Lippen die langen grauen Borsten sehen, die an die Schnurrhaare einer Katze erinnerten.
    »Wir sind das, was wir gern sein möchten, Mädchen«, stellte sie fest. »Wenn du es anderen Leuten erlaubst, zu beurteilen, wie viel du wert bist, dann hast du schon verloren, denn keiner kann es ertragen, dass jemand mehr wert sein soll als er selbst. Es ist einzig und allein Elonas Schuld, wenn sie falsche Entscheidungen getroffen hat, aber sie ist viel zu eitel, um das zuzugeben. Lieber lässt sie ihre Wut und Enttäuschung an dir und dem armen Erny aus.«
    »Ich wünschte, sie würde bloßgestellt und aus der Stadt gejagt«, verkündete Leesha mit Inbrunst.

    »Du würdest aus lauter Hass eine deiner Geschlechtsgenossinnen verraten?«, fragte Bruna.
    »Das verstehe ich nicht«, gestand Leesha.
    »Ein Mädchen braucht sich nicht dafür zu schämen, dass sie einen Mann zwischen ihren Beinen haben will, Leesha«, erwiderte Bruna. »Eine Kräutersammlerin darf die Leute nicht deshalb bestrafen, weil sie lediglich das tun, wozu die Natur sie bestimmt hat, wenn sie jung und ungebunden sind. Es sind die Eidesbrecher, die ich verabscheue. Wenn du erst einmal deinen Schwur abgelegt hast,

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