Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Fingern auseinander. Sie liest, was dort steht, liest es ein zweites Mal und presst das Schreiben dann gegen die Brust. Fjodor verharrt noch immer in seiner Verbeugung vor ihr.
» Du kannst gehen, Fjodor « , sagt sie. » Danke. « Sie ist so dankbar für die Nachricht, dass sie zu fragen vergisst, wer sie ihm gegeben hat.
Der Mann richtet sich wieder auf, heftet den Blick jedoch noch immer auf den Boden. Er entfernt sich rückwärts, bis er zur Tür hinaus ist. Er gebärdet sich noch immer wie ein Leibeigener; es wird viel Zeit brauchen, bis er die lebenslangen Gewohnheiten ablegen kann.
Antonina bleibt an der Tür stehen. Die geforderte Summe ist sehr hoch und soll vom Gutsverwalter zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort im Wald überbracht werden; sollte jemand anders mit ihm kommen, werden sie das Kind nicht ausliefern. Doch wenn die Bedingungen erfüllt werden, geben sie den Jungen zurück.
Antonina fällt auf die Knie und bekreuzigt sich, flüstert voller Dankbarkeit ein Gebet.
An diesem Tag kommt der Suchtrupp früher nach Hause als am Vortag. Als sie die Pferde hört, eilt Antonina hinaus, um Konstantin den Erpresserbrief zu geben. Er liest ihn und reicht ihn dann Grischa; ein Verwalter muss des Schreibens und Lesens mächtig sein, um die Bücher führen zu können.
» Morgen bekommen wir ihn zurück, Konstantin « , sagt sie. » Morgen. «
» Wer hat den Brief gebracht? « , fragt er, und erst jetzt wird Antonina bewusst, dass sie gar nicht danach gefragt hat. Sie erzählt ihm, sie habe den Brief von Fjodor erhalten, woraufhin er sich mit Grischa zu den Stallungen begibt.
An diesem Abend nimmt Antonina das Abendessen auf ihrem Zimmer zu sich, sie isst nur ein paar Bissen. Dann bittet sie Lilja, ein Bad für sie vorzubereiten, und lässt sich von ihr die Haare waschen. Seufzend lehnt sie sich in der mit heißem Wasser gefüllten Wanne zurück. Sie will so aussehen wie immer, wenn ihr Sohn zurückkommt.
Sobald Lilja sie allein gelassen hat, nimmt sie eine Flasche Wodka aus ihrem geheimen Vorrat in einem verborgenen Winkel ihres Schranks. Sie sieht die Flasche an und stellt sie, ohne sie aufzumachen, wieder zurück. Sie weiß, dass sie heute auch ohne Alkohol schlafen kann. Nun, da sie die Gewissheit hat, dass Michail Konstantinowitsch nach Hause kommt.
Lange vor Sonnenaufgang ist sie wach. Sie kann es nicht erwarten, dass Konstantin aufsteht, und begibt sich schon vor sieben in sein Zimmer. Als sie die Tür öffnet und den abgedunkelten Raum betritt, schlägt ihr ein fauliger Geruch entgegen, der noch stärker ist als am Vortag.
Pawel steht von seiner Pritsche am Fußende von Konstantins Bett auf.
Sie stellt sich an das Kopfende und blickt auf ihren Mann hinab. » Konstantin Nikolajewitsch « , sagt sie ruhig. » Bitte. Hast du das Geld für Grischa zurechtgelegt? «
Konstantin fällt es offensichtlich schwer, die Augen zu öffnen, und als er sie schließlich aufschlägt, sieht er sie mit einem verschwommenen Blick an, als wüsste er nicht, ob er wach ist oder träumt. Seine Stirn ist schweißbedeckt und sein Nachthemd feucht.
» Heute kommt der Doktor « , sagt sie.
Konstantin nickt.
» Ist für Grischa alles vorbereitet? « , fragt sie nochmals.
» Ich begleite ihn « , erwidert Konstantin. Er schlägt die Bettdecke zurück, stellt die Füße auf den Boden und wippt mit dem Oberkörper vor und zurück, um Schwung zum Aufstehen zu holen.
Antonina legt die Hand auf seine Brust, um ihn aufzuhalten. » Nein. Die Forderung ist klar und deutlich, Konstantin. Weder du noch ich dürfen Grischa begleiten. Wenn einer von uns beiden es trotzdem tut, werden wir alles verderben. «
» Ich halte mich im Hintergrund, sie werden mich nicht sehen. « Konstantin steht schwankend auf und stützt sich auf ihre Schulter.
Pawel tritt hinter sie.
» Sieh dich an. Du kannst dich kaum auf den Beinen halten. Wie willst du da reiten? Du bist krank, Konstantin. Lass Grischa allein reiten, wie die Kosaken es gefordert haben. Du darfst nicht mitkommen, Kostja « , sagt sie mit lauter Stimme. » Ich lasse es nicht zu. «
» Ich war dabei, als sie meinen Sohn entführt haben, und ich werde dabei sein, wenn sie ihn zurückbringen. « Er schiebt sie mit dem gesunden Arm zur Seite. » Geh mir aus dem Weg. Pawel, bring mir meine Kleider. «
Antonina schüttelt den Kopf. » Verstehst du nicht, wenn du mit Grischa reitest, wird … «
» Geh, los, geh raus « , knurrt Konstantin.
Antonina öffnet den Mund, will
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