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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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im Geist eines Menschen Farben erzeugt? «
    Grischa gibt einen erstickten Laut, eine Art Räuspern von sich. » Und welche Farbe sieht er, wenn er Geige spielt? « , fragt er, und sie blickt ihn überrascht an.
    Wie schön ihr Mund ist, denkt er, und während das gedämpfte Licht ihr Gesicht erhellt, spürt Grischa, wie ihn angesichts ihrer Nähe ein merkwürdiges Schwächegefühl überkommt. Es ist zutiefst verwirrend, wie zwei elementare Gefühle gleichzeitig auf ihn einstürmen. Im selben Moment, da er sie heftig begehrt, liefert sie ihm das letzte Stück eines Puzzles, das zusammenzusetzen er sich bislang geweigert hat.
    Er weiß, wie die Farbe lautet, noch ehe sie es ihm sagt.
    » Er sieht Gold, wenn er Geige spielt. Manche Töne schimmern golden, hat er gesagt, wie wenn die Herbstsonne durch die Blätter der Bäume scheint. « Sie schaut Grischa besorgt an. » Dir fehlt wirklich nichts, Grischa? Du wirkst … wirst du vielleicht krank? «
    » Nein. « Er strafft die Schultern. » Ich habe zu tun. Die Buchführung … «
    Antonina kann nirgendwo die Bücher entdecken. » Gut, Grischa, der Brief. Gibst du ihn mir bitte? «
    » Ja « , sagt Grischa matt, wie von einer plötzlichen Müdigkeit befallen oder als wäre er in Gedanken ganz woanders. Er blickt sich suchend um, schüttelt kaum merklich den Kopf und zieht den Brief dann hinter einem kleinen gerahmten Bild, das auf dem Kaminsims steht, hervor und reicht ihn ihr. » Hier ist er. « Dann fügt er hinzu, um Antonina unmissverständlich zu bedeuten, dass sie endlich gehen soll: » Einen schönen Tag, Gräfin. «
    Als die Tür hinter ihr zufällt, lässt er sich aufs Sofa sinken. Eine Zeit lang starrt er die swirel an. Dann steht er wieder auf, ganz langsam, geht zum Schreibtisch und öffnet eines der Fächer. Er nimmt Papier, Feder und Tintenfass heraus. Einen Moment schaut er das leere Blatt an, dann schreibt er: Lieber Walentin Wladimirowitsch Kropotkin.
    Er unterbricht sich, als wäre er plötzlich unschlüssig, was er schreiben soll. Er braucht lange, um die drei einfachen Sätze zu Papier zu bringen.
    Antonina liest, was Walentin ihr zwei Tage zuvor geschrieben hat. Er versichert ihr, wie sehr er die gemeinsam verbrachten Stunden genossen hat. Ferner kündigt er ihr einen weiteren Besuch am selben Abend an und verspricht, ihr nach seiner Abreise zu schreiben. Vielleicht, so schreibt er weiter, könne sie eines Tages ja nach Sankt Petersburg oder Moskau kommen, je nachdem wo er sich niederlassen wird, und eines seiner Konzerte besuchen. Wenn Sie Ihren Sohn zurückhaben, steht da geschrieben. Ich würde ihn gern kennenlernen. Bitte bringen Sie ihn dann mit.
    Michail. Bin ich deswegen so gern mit dir zusammen gewesen, Walentin?, denkt sie. Weil du mich so sehr an ihn erinnerst?
    Am späten Nachmittag begibt sich Antonina in die Küche. Sie sagt Raisa, dass sie Ljoscha bitten wird, eine der Katzen aus den Scheunen zu fangen und in der Speisekammer einzusperren. Raisa will wissen, ob sie das Mehl wegschütten soll, worauf Antonina fragt, ob es eine andere Möglichkeit gebe. » Wir könnten es sieben, gnädige Frau, um den Mäusekot zu entfernen. Aber das dauert einige Zeit. «
    » Gut, ich helfe euch « , sagt Antonina. Es ist nicht richtig, dass sie herumsitzt und sich bedienen lässt, während Raisa und die anderen nicht wissen, wie sie die viele Arbeit bewältigen sollen.
    Während sie zusammen am Küchentisch das Mehl sieben, erzählt Raisa ihr, dass Ljoscha weggeritten sei, um Hasen zu jagen. Wenn sie Glück hätten, würde es am nächsten Tag Hasenragout geben, sagt Raisa lächelnd.
    Weder Antonina noch Raisa wissen, dass Ljoscha bereits mit zwei großen Hasen zurückgekehrt ist. Er hat sie vor dem Dienstbotenquartier abgelegt, und Lilja ist dabei, sie zu häuten und auszuweiden.
    Ljoschas Gewehr lehnt gegen die Hauswand. Er ist in den Stall gegangen, um sein Pferd trocken zu reiben.
    Antonina ist in die Speisekammer gegangen, um einen weiteren Sack Mehl aus dem Regal zu holen, als sie die Hunde anschlagen hört; sie nimmt an, dass Ljoscha von der Jagd zurückgekommen ist. Sie kehrt mit dem Mehlsack in die Küche zurück und beginnt wieder mit dem Sieben.
    Lilja hebt den Blick von dem enthäuteten Hasen und sieht, wie ein Reiter am Dienstbotenquartier vorbeigaloppiert und weiter die Straße hinunter zu Grischas Haus.
    Es ist Walentin.
    Sie legt den Hasen auf den Boden und greift mit ihren blutigen Händen zu dem Gewehr, das an den Türrahmen lehnt.
    Die

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