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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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lassen, jetzt, wo er auf den Geschmack gekommen ist? Er beschmutzt ihren guten Ruf, und sie ist dermaßen von ihm geblendet, dass es sie nicht schert. Ich warte nur darauf, dass er bei ihr übernachtet. Ich habe die beiden gehört, Grischa « , sagt sie abermals. » Was wirst du tun, um diesem Treiben ein Ende zu bereiten? « Als Grischa die Zornesröte in ihrem Gesicht sieht, die kaum verhohlene Wut, begreift er mit einem Mal, was er die ganze Zeit nicht gesehen hat.
    Sie ist gar nicht besorgt, dass Antonina Angelkow an Kropotkin verliert. Nein, sie ist eifersüchtig, auf die gleiche Art eifersüchtig wie er. Sie begehrt Antonina auf die gleiche Art wie er selbst. Wie lange ist das schon so? Und wie kommt es, dass es ihm nicht schon früher aufgefallen ist?
    Beim Gedanken, dass der Musiker mit Antonina geschlafen hat, bekommt er ein flaues Gefühl. » Es steht uns nicht zu aufzupassen, wen die Gräfin in ihr Haus lässt « , sagt er in ruhigem Tonfall; Lilja soll auf keinen Fall sehen, wie sehr ihre Enthüllung ihn getroffen hat. » Es ist noch immer ihr Haus, Lilja. Vergiss das nicht. «
    Lilja starrt ihn an. » Gut. Wenn es sein muss, werde ich ihn eben aufhalten. «
    Er wendet sich von ihr ab, weil er Liljas durchdringenden Blick nicht länger erträgt. » Und wie willst du das anstellen? «
    Als sie nicht antwortet, dreht er das Gesicht in ihre Richtung. Sie lächelt ein sonderbares Lächeln, und mit einem Schlag trifft ihn eine weitere Erkenntnis, noch erschreckender als die vorige: Etwas stimmt nicht mit ihr. Sie ist nicht ganz richtig im Kopf.
    » Das wirst du dann schon sehen, Grigori Sergejewitsch. Wenn er sich wieder hier blicken lässt, wirst du sehen, wie ich ihn aufhalte. «
    Später an diesem Morgen fällt ein schräg einfallender eisiger Regen, und Antonina blickt aus ihrem Schlafzimmerfenster in den Garten.
    Fast alle Pflanzen sind abgestorben, die Blätter sind schwarz und hängen schlaff herab, die feuchten Laubhaufen sehen aus wie Grabhügel. Nur ein paar wenige Chrysanthemen haben überlebt, wenngleich der Regen sie auf den Boden drückt. Ihre fleckig-rostfarbenen und stumpfen goldfarbenen Blüten haben sich mit Feuchtigkeit vollgesogen. Einzig die Hagebutten an ihren dornigen Zweigen sorgen für Farbkleckse in dem tristen Graubraun: In leuchtendem Rot heben sich die Früchte gegen die skelettartigen Rosensträucher ab.
    Und während Antonina die Reste vergangener Schönheit betrachtet, verwandelt sich der Regen in den ersten Schnee. Langsam bedeckt er alles mit einem merkwürdigen silbrigen Glanz. Antonina spürt einen Anflug von Erleichterung. Lieber soll alles unter einer makellos weißen Decke versinken, als weiterhin diesen trostlos hässlichen Anblick zu bieten.
    Sie wird Walentin nie wiedersehen. Sie schlingt die Arme um den Oberkörper und hört ihn im Geiste sagen, dass Michail bestimmt irgendwo Musik spiele. In ihrem Innersten weiß sie, wie unwahrscheinlich dies ist, aber dennoch lässt sie sich für einen Moment von dieser Vorstellung trösten: Mischa, der vor einem Klavier sitzt. Diese Bild ist viel schöner als das, wie er in einer Bauernkate gefangen gehalten wird. Die Vorstellung, dass ihr Sohn friert und Hunger hat, ist ihr unerträglich. Dass er leiden muss.
    Sie will mit diesen Gedanken nicht länger im Haus bleiben und zieht den Mantel an, um in den Garten hinauszugehen. Doch der Schnee hat sich bereits wieder in Regen zurückverwandelt und lässt den zarten weißen Hauch wieder schmelzen. Sofort ist ihr klamm, und sie beginnt zu frieren. Walentin hat gesagt, er hätte Grischa einen Brief für sie gegeben. Warum hat Grischa ihn ihr nicht gebracht?
    Als Grischa auf ihr Klopfen hin die Tür öffnet, tritt er überrascht zurück, weil er wieder mit Lilja gerechnet hat.
    » Grischa? Walentin Wladimirowitsch sagte mir, er hätte dir einen Brief für mich gegeben. Ich bin gekommen, um ihn abzuholen. «
    Im trüben Licht dieses dritten Novembers wirkt Grischas Gesicht merkwürdig düster. Er mustert Antonina, forscht in ihren Zügen nach irgendwelchen Zeichen dafür, dass sie mit dem Musiker geschlafen hat. Als er sich die beiden zusammen vorstellt, kocht Wut in ihm hoch. Aber Antonina weiß natürlich nicht, dass er es weiß, nachdem Lilja bei ihm war, um es ihm brühwarm zu erzählen. Er braucht Lilja noch, weil sie die Einzige ist, die ihn zu Soso bringen kann. Und zu Michail.
    » Gräfin « , sagt er, und das Wort schwebt seltsam wie eine unsichtbare Person zwischen ihnen. Den

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