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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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lange, diese kurzen Sätze auszusprechen, oder lässt ihre Benommenheit ihre Stimme so dumpf und träge klingen?
    Der Arzt sieht wieder zu ihr hoch. » Gräfin Mitlowskaja, es ist zu früh für irgendwelche Prognosen. Aber sollte das Fieber andauern … « Er unterbricht sich, während er ein Stück Gaze abreißt. » Hat er etwas getrunken? Hat er Wasser gelassen? «
    Antonina bemerkt zwei rote Flecken auf Konstantins unrasierten Wangen. » Das weiß ich nicht. «
    » Nein, weder noch « , sagt Pawel, der am Fußende des Bettes steht.
    » Warum nicht? Warum haben Sie ihm nichts zu trinken gegeben? « , fragt der Arzt den Diener.
    » Ich habe es versucht, mein Herr, immer wieder. Aber er wollte nicht. «
    » Wollte nicht? Also wirklich! « , sagt der Arzt scharf. » Sind Sie unfähig, eine solche einfache Aufgabe auszuführen? «
    Der ärgerliche Ton in seiner Stimme lässt Antoninas Kopf ein wenig klarer werden. Sie weiß, wie ergeben Pawel Konstantin ist; seit über zwanzig Jahren ist er sein Kammerdiener, war es schon lange, bevor sie nach Angelkow gekommen ist. In den letzten Nächten ist er nicht von Konstantins Seite gewichen. Und nun spricht dieser Doktor mit dem betagten Mann wie mit einem Kind und bezichtigt ihn der Pflichtverletzung.
    Plötzlich sehnt sie sich nach einer Tasse heißem Tee. » Versuchen Sie es doch, Herr Doktor « , sagt sie. » Versuchen Sie, seine Lippen zu öffnen und ihn dazu zu bringen, etwas zu schlucken. «
    Der Arzt sieht sie finster an. » Gräfin, ich will ja nur betonen, wie wichtig es bei einer Blutvergiftung ist … «
    » Blutvergiftung? « Antonina reibt sich die Stirn. » Das hatten Sie nicht gesagt. «
    » Vorerst habe ich getan, was in meiner Macht steht. « Der Arzt erhebt sich. » Ich habe noch andere Verpflichtungen heute und werde morgen wiederkommen. Es ist äußert wichtig, dass Graf Mitlowski Flüssigkeit zu sich nimmt. Um das Gift herauszuspülen, Gräfin. «
    Antonina nickt.
    Der Arzt schließt seine Tasche und sagt dann in freundlicherem Ton: » Bestimmt wird man Ihnen Ihren Sohn zurückgeben. Es ist eine Zeit großer Unsicherheit. Das Manifest des Zaren hat das Land ins Chaos gestürzt. Niemand weiß, welche Folgen die Aufhebung der Leibeigenschaft haben wird. Man hat den Leibeigenen … den Menschen, die gerade erst ihre Freiheit erlangt haben, noch nicht erklärt, welche Auswirkungen es für sie hat, was sie mit ihrer Freiheit machen können. Es herrschen Angst und Verwirrung, und alle möglichen Gerüchte sind in Umlauf. Auf anderen Gütern hat es sogar kleinere Aufstände gegeben. Die Kerle, die Ihren Jungen entführt haben, werden bald einsehen … « Er unterbricht sich.
    Antonina sieht ihn abwartend an. Auch wenn sie jetzt ein wenig klarer im Kopf ist, hat sie doch das Gefühl, als würde sie gerade aus einem seltsamen Zwielicht ans Tageslicht treten. » Werden was einsehen? « , fragt sie schließlich.
    Der Arzt öffnet erneut seine Tasche und nimmt eine kleine viereckige Flasche heraus. » Laudanum, Gräfin. Das wird Ihnen einstweilen helfen, diese schwierige Zeit durchzustehen. Es ist besser als … « Wieder lässt er den begonnenen Satz unbeendet. » Ich glaube, es wird Ihnen helfen. « Er dreht sich zu Pawel um. » Flößen Sie ihm Flüssigkeit ein, so gut Sie können, und baden Sie seine Füße in kaltem Wasser, um das Fieber zu senken. « Er greift zu seiner Tasche, nickt Antonina zu und verlässt das Zimmer.
    Antonina lässt sich in den breiten Ledersessel sinken. Sie schließt die Augen und legt den Kopf zurück. Obwohl sie nichts weiter getan hat, als den Flur entlangzugehen und dem Doktor zuzuhören, ist sie schon wieder erschöpft.
    Kaum hat der Arzt die Tür hinter sich zugemacht, tritt Grischa auf ihn zu. » Wird er wieder gesund? « Als der Doktor nicht gleich antwortet, fügt er hinzu: » Ich bin der Verwalter, Dr. Molow. Zum Wohle des Guts und seiner Angelegenheiten muss ich wissen, worauf ich mich einstellen muss. «
    Der Arzt nickt, fasst Grischa beim Arm und führt ihn von der Tür weg. » Ich werde offen mit Ihnen reden. Mit ihr kann man ja nicht viel anfangen. «
    » Was meinen Sie damit? « , fragt Grischa und blickt auf den kleinen schnaufenden Mann hinab.
    » Die Gräfin. Was ist denn mit ihr los? Vielleicht eine abgeschwächte Form von Hysterie? Gestern Nacht und auch heute Morgen hat sie … nun, sie scheint nicht ganz im Vollbesitz ihrer Sinne zu sein. Ich glaube nicht, dass sie die Wahrheit verträgt. « Er nickt Grischa zu. »

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