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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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empfunden hatte. Sie zählte die Schläge – das Pochen ihres Schädels im Gleichklang mit dem Pulsieren ihres Blutes in den Venen –, während das Gesicht ihres Vaters in dieser kurzen und doch unendlich scheinenden Zeitspanne eine Reihe von wechselnden Ausdrücken annahm. Nach dem fünften Schlag ballte er die Hand zur Faust und senkte sie. » Was willst du eigentlich, Antonina? Möchtest du lieber in einer Bauernkate leben? Ja? Würde dich das glücklich machen? Dann geh. Geh und lebe mit den Leibeigenen. Schau, wie lange du es aushältst, bei den Schweinen zu schlafen, damit du es ein bisschen warm hast, während deine Kopfhaut vor Läusen wimmelt und deine Haut von Flohbissen unerträglich juckt. «
    Antonina zuckte zurück, als hätten die Worte ihres Vaters sie ernüchtert. Er hatte recht, natürlich. Sie hatte nicht die Macht, irgendetwas zu ändern.
    » Du hast ja keine Ahnung vom Leben, du törichtes Mädchen. « Er drehte sich um und ging mit zusammengesunkenen Schultern davon, die Hände seitlich herabhängend, wie ein Besiegter.
    An der Tür sagte er: » Geh in dein Zimmer. Bleib dort bis morgen früh. Bis dahin wirst du keine Mahlzeiten bekommen. «
    Antonina antwortete nichts.
    » Hast du begriffen, in was für eine Lage du mich gebracht hast, Tosja? Ich kann es dir nicht durchgehen lassen, es mir gegenüber an Respekt mangeln zu lassen. «
    Antonina brachte keinen Ton heraus. Wortlos sah sie zu, wie er hinausging. Sie dachte an Lilja und sank auf die Knie, um zu beten, dass ihr das Mädchen eines Tages würde verzeihen können, was sie ihm und seiner Familie angetan hatte.

ZWÖLF
    März 1849
    A ntoninas Namenstag war am 14. März, in einer Jahreszeit, in der es in der Region von Pskow schon nicht mehr richtig Winter, aber auch noch nicht Frühling war. Das Wetter änderte sich jeden Tag und schien zu schwanken, welcher Jahreszeit gemäß es sich zeigen sollte. Zu Antoninas Namenstag, sie war inzwischen siebzehn, kam ihre Mutter auf das Landgut, um ein großes Fest für sie zu geben.
    Partys zu planen und organisieren war Galina Maksimownas Stärke. Im vergangenen Herbst hatte sie zwei bals blancs veranstaltet, um Antonina in die Sankt Petersburger Gesellschaft einzuführen. Antonina, ganz in Weiß, hatte mit zahlreichen jungen Männern getanzt, die als Heiratskandidaten in Frage kamen. Tatsächlich hatten die Bälle zwei Anträge gezeitigt, aber keiner der Kandidaten hatte ihrem Vater genügt: Sie waren ihm entweder nicht einflussreich oder aber nicht wohlhabend genug. Antonina wiederum war erleichtert. Es gab einen einzigen Mann, einen schlanken, dunkelhaarigen Offizier aus guter Familie, den sie interessant fand und mit dem sie sich gern wieder unterhalten hätte. Als sie dies ihrer Mutter sagte, lud die Prinzessin den Offizier zum Tee ein. Aber dieser sandte ein Billet mit der Entschuldigung, er habe bereits eine Verabredung. Einen anderen Termin schlug er nicht vor. Prinzessin Olonowa erklärte ihrer Tochter, seine Absage bedeute, dass er nicht daran interessiert sei, sie näher kennenzulernen. Antonina indes ärgerte sich allenfalls ein wenig über die Kränkung seitens des jungen Offiziers.
    Inzwischen waren zweieinhalb Monate vergangen, seit sie ihre Mutter zuletzt in Sankt Petersburg gesehen hatte. Zusammen mit ihrem Vater war sie über Weihnachten und Neujahr in die Stadt gereist, weil es Prinzessin Galina Maksimowna widerstrebte, die Festtage in der winterlichen Abgeschiedenheit des Landgutes zu verbringen.
    Antoninas Brüder waren mittlerweile aus dem Gutshaus ausgezogen. Wiktor, der älteste, war in die Armee eingetreten, und Marik hatte geheiratet; das Paar bewohnte mit seinem ersten Kind einen kleineren Landsitz am anderen Ende des ausgedehnten Grundbesitzes des Prinzen. Dmitri indes, der jüngste Bruder, war zu seiner Mutter nach Sankt Petersburg gezogen. Die Prinzessin beklagte sich, dass Dimi ausschließlich dem Glücksspiel zugetan sei und seine Zeit in einschlägigen Etablissements rund um die Stadt verbringe, wo der Alkohol in Strömen floss. Während ihres Aufenthalts in Sankt Petersburg war Antonina nicht entgangen, dass Dmitri nie vor dem frühen Nachmittag aufstand, immer sehr blass war und sich unter seinen Augen dunkle Ringe abzeichneten; seine Wangen waren vom Wodka und dem späten Zubettgehen aufgedunsen.
    Nachdem ihre Mutter sie geküsst hatte, verkündete sie ihr strahlend, sie wolle im März ein großes Fest für ihre Tochter geben. Galina war ausgezeichneter Laune

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