Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
sagst mir seinen Namen. Oder es werden einige Leibeigene leiden. Dann werden wir ja sehen, ob dieser junge Mann tatsächlich so wunderbar ist, wie du es dir einbildest. Aber du wirst enttäuscht sein. Das schwöre ich dir. «
» Das wirst du nicht tun, Papa. Ich weiß, es. Du bist nicht so grausam. «
Prinz Olonow starrte Antonina lange an, bis sie seinem Blick nicht mehr standhielt. Sie barg das Gesicht in ihren Händen.
» Du hast recht, Antonina « , sagte ihr Vater nach einer Weile. Obwohl seine Stimme jetzt weicher klang, jagte diese Veränderung Antonina noch mehr Angst ein.
Sie hob das Gesicht und ballte ihre Hände krampfhaft zusammen.
» Ich wollte sehen, ob du ehrlich und aufrichtig zu mir sein kannst. Aber das kannst du nicht. Es ist so einfach. Ich brauche nur Semjon und Kescha zu fragen. Sie wissen, dass sie mir sagen müssen, wo sie dich in letzter Zeit hinbegleitet haben und mit wem du zusammen gewesen bist, nicht nur, um ihre guten Stellungen nicht aufs Spiel zu setzen, sondern auch ihr Leben. Sie werden mir die Antworten geben, die ich brauche, glaube mir. «
Ihr war plötzlich schrecklich heiß, und das Gesicht ihres Vaters verschwamm vor ihren Augen, ein merkwürdiges blasses Rechteck, abgesehen von dem dunklen, mit weißen Fäden durchwirkten Bart.
» Du kannst nichts vor mir verbergen, Tosja « , sagte er.
Sie tastete nach dem Stuhl in ihrem Rücken und setzte sich. » Gut, Papa « , sagte sie. » Gut. Ich werde dir alles erzählen. Aber es ist kein Mann. Es ist ein Mädchen. Einfach nur ein Bauernmädchen, das ist alles. Bestimmt wirst du nichts dagegen haben, wenn ich mich mit einem Bauernmädchen unterhalte. Daran ist doch nichts Schlechtes. Und was ich gesagt habe, ist wahr – es hat nie einen Mann gegeben. «
» Ein Mädchen? « , sagte ihr Vater, und Antonina bemühte sich zu lächeln.
» Ja. Einfach nur ein Mädchen. Du hattest recht. Es war ihr Hündchen, und sie hat mir das Abzeichen gegeben. Aber ich treffe sie schon seit einiger Zeit nicht mehr. «
» Wer ist das Mädchen? «
Antonina schüttelte den Kopf. Die Bewegung schmerzte. » Das tut nichts zur Sache. Ich habe dir doch gesagt, dass wir uns nicht mehr sehen. Ich wollte einfach nur … « Sie unterbrach sich. Sie wusste, dass sie ihrem Vater nicht erklären konnte, unter welchen Umständen Lilja und sie Freundinnen geworden waren, noch warum.
» Doch, das tut sehr wohl etwas zur Sache. «
» Warum? «
Ihr Vater stand auf. » Ich habe dir die Gründe in aller Ausführlichkeit genannt. Ich bin dieses Theater leid. Ich werde Semjon und Kescha rufen lassen. «
» Gut, Papa. « Antonina sprang auf. Die jähe Bewegung jagte ihr einen stechenden Schmerz in die Schläfen. » Ihr Name ist Lilja Petrowna Newskaja. Sie ist die Tochter des Schmieds von Kaschra. Und nun, da du es weißt … das genügt doch, nicht wahr? Du wolltest doch nur ihren Namen wissen? Dich vergewissern, dass ich die Wahrheit sage? «
Als der Prinz nicht antwortete, trat Antonina näher zu ihm. Sie sah ihm ins Gesicht, suchte seinen Blick. » Du wirst sie doch nicht bestrafen, Papa? Es ist nicht ihre Schuld. Sondern meine. Ich habe ihr gesagt, wir sollten uns wieder treffen, um miteinander zu reden. Sie wollte es erst nicht. Wirklich, sie wollte nicht. Es ist nicht ihre Schuld. Du darfst sie nicht bestrafen. Versprich mir, dass du sie oder ihre Familie nicht bestrafst für etwas, was auf meinen Wunsch geschehen ist. Was ich getan habe. «
Sie starrte ihren Vater an, wollte, dass er nickte, sagte: Ja, Tochter, jetzt verstehe ich. Ich gebe dir mein Ehrenwort, dass das Mädchen und die Familie nicht darunter leiden müssen.
» Nein « , sagte er. » Ich werde nichts dergleichen versprechen. «
In der darauffolgenden Nacht kreisten diese letzten Worte ihres Vaters — Ich werde nichts dergleichen versprechen — unaufhörlich in ihrem Kopf und verstärkten ihre Kopfschmerzen noch. Die Sorge um Lilja hielt sie wach. Während sie in der Dunkelheit im Bett lag, starrte sie auf das schwarze Viereck des Fensters. Als es endlich Morgen wurde, ging sie nach unten in den Frühstückssalon. Ihr Vater saß am Tisch und las Zeitung, vor sich einen Teller mit Eierkuchen und Roastbeef.
Antonina setzte sich auf den Platz ihm gegenüber. » Guten Morgen, Papotschka « , sagte sie zaghaft.
Er sah sie kurz an. » Guten Morgen. « Dann hob er die kleine goldene Glocke neben seinem Teller und klingelte. Sofort ging die Tür auf, und zwei livrierte Diener mit weißen
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