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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau
Autoren: Wolf Serno
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Hirschen
oder im
König von Preußen
oder sonstwo, aber billiger ist’s dort auch nicht, darauf habt Ihr mein Wort.«
    Abraham zögerte. Er wollte sich auf keinen Fall über den Löffel barbieren lassen.
    »Ihr könnt mir auch achtundzwanzig Gute Groschen hessischer Münze geben, wenn Euch das besser passt. In jedem Fall müsst Ihr die Übernachtung im Voraus bezahlen.«
    »Wäre im Preis ein Abendessen und ein Frühstück inbegriffen?«
    Der Wirt lachte. »Ihr versteht es, zu handeln, wie? Meinetwegen könnt Ihr Euren Karren umsonst in meiner Remise abstellen, aber alles, was Ihr heute und morgen esst, muss ich Euch berechnen, verschenken kann ich nichts.«
    »Ich danke Euch, Herr Wirt.« Vier Sechser-Stücke wechselten ihren Besitzer.
    »Nichts zu danken. Niemand soll sagen, August Ludwig Wacker sei ein Halsabschneider.«
    Diese letzten Worte überzeugten Abraham endgültig, dass er keinen schlechten Schnitt gemacht hatte; er ging zu Alena zurück und verkündete grinsend: »Liebste, ich habe es möglich gemacht: Du darfst heute Nacht mit mir ins Bett gehen.«
    »Abraham, du bist unverbesserlich!« Alena setzte eine strafende Miene auf, doch in ihren Augen stand Freude. »Heißt das, wir bleiben hier?«
    »Das heißt es«, sagte Abraham.
     
     
    »Das müsste die Burgstraße sein«, sagte Abraham am nächsten Morgen. Es war schon gegen zehn Uhr, aber er und Alena waren spät aufgestanden, denn der gestrige Tag hatte sich noch als sehr anstrengend erwiesen. Sie waren den ganzen Nachmittag auf Zimmersuche gewesen, hatten ständig Augen und Ohren offen gehalten, immer wieder aufs Geratewohl hier und dort gefragt und waren so manchem Hinweis nachgegangen, den sie von Passanten oder Händlern bekommen hatten. Doch alle ihre Bemühungen waren vergeblich gewesen. Ulrich, der Logis-
Commissionair,
hatte durchaus seine Daseinsberechtigung, das war ihre Erfahrung aus vielen Stunden ermüdender Suche.
    Schließlich waren sie zur
Krone
zurückgekehrt, und Abraham hatte es sich nicht nehmen lassen, seine Puppen einzeln durch die Schankstube nach oben in das gemietete Zimmer zu tragen. Er hatte seine Lieblinge in eine Wolldecke geschlagen und sie gebeten, sich ruhig zu verhalten, um unliebsame Fragen zu vermeiden. Alle hatten sich daran gehalten, nur Friedrich der Große, der alte Querulant, nicht. Er hatte krachend geniest und unter dem Stoff gemeckert: »Was macht ihr Saufköppe hier?
Pöplirt
die Kneipen, statt anständig zu arbeiten!« Doch zum Glück hatte keiner der Gäste das gehört.
    Das Bett anschließend war tatsächlich sehr sauber, sehr weich und sehr einladend gewesen, was nicht nur Abraham so empfunden hatte, sondern auch Alena …
    »Sieh nur, Abraham, das Schild dort!« Alena wies auf eine Tafel mit der Aufschrift
LOGIS
-
COMMISSIONAIR
,
die über dem Eingang eines frisch getünchten Fachwerkhauses hing.
    »Drück uns die Daumen.« Abraham zog Alena durch den prächtigen Eingang ins Haus und klopfte an der entsprechenden Tür. Als das »Herein« ausblieb, drückte er die Klinke unaufgefordert nieder und spähte in den Raum. Was er sah, machte ihm nicht gerade Mut: Fünf oder sechs junge Männer saßen da und warteten darauf, zu Ulrich vorgelassen zu werden. »Das kann dauern, Liebste.« Abraham flüsterte unwillkürlich. »Setzen wir uns, fassen wir uns in Geduld. Warum soll es hier anders sein als auf anderen Ämtern.«
    Doch auch das längste Warten nimmt irgendwann ein Ende, und so saßen Abraham und Alena schließlich vor Ulrich, der – Gott sei Dank nicht rauchend – an einem großen Schreibtisch residierte und geschäftig in seinen Unterlagen blätterte. »Sieh an, der
Studiosus in spe
Julius Abraham, wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt«, sagte er zur Begrüßung und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: »Ihr seid verheiratet, wollt Medizin studieren und habt zu allem Übel noch einen Karren, den es unterzubringen gilt, richtig?«
    Abraham fiel darauf nichts anderes ein als »Jawohl«.
    »Dann wollen wir mal sehen.« Ulrich durchstöberte mehrere Stapel Papiere, runzelte die Stirn und erklärte: »Alles Adressen. Es gibt über tausend Logis-Adressen bei nur gut achthundert Studenten, also müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht … aber bei Euch …« Er blätterte weiter. »Jajaja … wenn ich mich recht entsinne, darf Eure Bleibe nur wenig kosten … tja, das ist die Schwierigkeit, und einen Antrag auf Unterstützung durch den akademischen Armenfiskus wollt Ihr
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