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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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und das Faktotum des Hauses. Ohne ihn würde hier gar nichts gehen. Ich rate Ihnen, es sich nicht mit ihm zu verderben. Vielleicht hätten Sie jetzt die Freundlichkeit, mir Ihren Namen zu sagen, Miss …?«
    »Montoya, Esperanza Montoya«, antwortete sie mit sichtlichem Stolz in der Stimme und fügte erklärend hinzu: »Mein Vater ist Spanier, meine Mutter stammt aus Dorchester. Ich wurde in England geboren und wuchs hier auf, wenngleich wir, sooft es möglich war, die Heimat meiner männlichen Vorfahren besuchten und dort stets eine herrliche Zeit verbrachten.«
    Susan glaubte ihr die Geschichte sofort, denn der spanische Einschlag war unverkennbar. Die blauen Augen waren wohl das Erbe ihrer Mutter. Esperanza Montoya war elegant, für Susans Geschmack jedoch etwas zu auffällig gekleidet. Ihr violetter, mit Stickereien verzierter Samtmantel harmonierte mit ihrer Augenfarbe, und der ausladende Hut war mit einem halben Dutzend Straußenfedern und künstlichen Blumen verziert. Langsam zog sie ihre beigen Lederhandschuhe aus, sah sich in dem kleinen Büro um und schüttelte über das heillose Durcheinander, das hier herrschte, missbilligend den Kopf.
    »Ich hoffe sehr, dass die Organisation des Theaters nicht so chaotisch ist wie dieses Zimmer hier. Immerhin hat man mir das Blue Horizon empfohlen, der Inhaber soll ein guter Regisseur sein.«
    »Theodor Murphy ist der beste.« Susan sah, wie es in Doro zu kochen begann. Auch sie war über das hochnäsige Auftreten der Fremden verärgert und hoffte, dass diese gleich wieder gehen würde. »Was führt Sie also zu uns?«, fuhr Doro mühsam beherrscht fort.
    »Ich sagte es bereits, ich möchte engagiert werden. Ich bin ab sofort frei und kann morgen mit den Proben beginnen.«
    Doro hob die Hand. »Langsam, Miss Montoya, wer hier engagiert wird und wer nicht, entscheidet immer noch Mr. Murphy. Ich nehme nicht an, dass Sie bei ihm vorgesprochen haben? Darüber hätte er mich nämlich informiert.« Sie gab sich einen Ruck und fügte hinzu: »Mein Name ist übrigens Dorothea Hawkins, ich bin für alles Geschäftliche, was das Blue Horizon angeht, zuständig, und das ist unser Star Peggy Sue.« Sie deutete auf Susan.
    Esperanza Montoyas Blick streifte Susan nur kurz und desinteressiert.
    »Ach ja, Peggy Sue … ich glaube, ich habe Ihren Namen schon mal irgendwo gelesen.«
    Susan ballte die Hände zu Fäusten und sagte ruhig: »Wo haben Sie denn bisher gespielt? Sie sind doch Schauspielerin, nicht wahr?«
    Esperanza warf den Kopf in den Nacken und lachte. Aus ihrer Manteltasche nahm sie einen dicken Briefumschlag und legte ihn vor Doro auf den überfüllten Schreibtisch.
    »Das sind Empfehlungsschreiben der ersten Häuser Englands. Mein letztes Engagement hatte ich am Royal Court Theatre. Zwei Saisons spielte ich dort die
Iphigenie auf Tauris
. Mit großem Erfolg übrigens.«
    »Ach ja?« Susan und Doro merkten auf, und Susan erinnerte sich daran, den Namen Esperanza Montoya schon gehört und in der Zeitung gelesen zu haben. Sie hatte die Schauspielerin aber nie auf der Bühne gesehen. Doro sprach aus, was Susan dachte. »Wenn Sie am ersten Theater Londons, dem Royal Court, gespielt haben, warum wollen Sie dann in einem so kleinen Theater wie dem Blue Horizon auftreten? Das wäre doch weit unter Ihrem Niveau, Miss Montoya?«
    Susan verbiss sich ein Grinsen über Doros ironischen Unterton, während Esperanza diesen nicht zu bemerken schien. Sie sah hochnäsig in die Runde. »Ich habe meine Gründe«, sagte sie nur. »Was ist nun? Können wir den Vertrag gleich unterzeichnen?«
    »Nun mal langsam.« Doro schüttelte den Kopf. »Ich sagte bereits, dass allein unser Intendant entscheidet, wer hier auftritt und wer nicht.«
    »Dann rufen Sie ihn.«
    »Mr. Murphy ist heute nicht im Haus«, antwortete Doro kühl. »Am besten, Sie hinterlassen mir, wo man Sie erreichen kann, dann vereinbare ich mit Mr. Murphy einen Termin zum Vorsprechen. Passt es Ihnen in der nächsten oder übernächsten Woche?«
    Zum ersten Mal, seit sie das Büro betreten hatte, zeigte Esperanza eine kleine Unsicherheit.
    »Das ist mir zu spät, außerdem sehe ich keine Notwendigkeit eines Vorsprechens, meine Referenzen sprechen wohl für sich.«
    Susan bewunderte Doro, wie diese es schaffte, immer noch ruhig und überlegen zu wirken, während sie selbst nur mühsam ihre Wut beherrschte. Gerne hätte sie dieser Esperanza die Meinung gesagt, aus den geschäftlichen Belangen des Theaters hielt sich Susan jedoch

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