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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Welt sicher fühlen können. Stets würden wir von einem Ort zum anderen ziehen, immer auf der Flucht und mit der Angst, Edward könnte uns eines Tages finden.« Lavinia schlug die Decke zur Seite und stand auf. »Nein, ein solches Leben werde ich Anabell nicht zumuten.«
    »Ach, Lavinia, Schatz …« Er sah sie entschuldigend an. »Mein Vorschlag war doch nicht ernst gemeint. Du weißt, dass gerade ich auf keinen Fall mehr mit dem Gesetz in Konflikt geraten möchte.«
    Damals, als Sebastian Eathorne nach Cornwall gekommen war, waren Gerüchte über den Tod seiner Frau in aller Munde gewesen, vor allem auch, dass Sebastian etwas damit zu tun haben könnte. Nach drei Monaten ihrer Bekanntschaft hatte Sebastian Lavinia gegenüber offen und ehrlich über seine Ehe und deren tragisches Ende gesprochen.
    »Die Ehe wurde von unseren Eltern arrangiert. Mary-Ellen stammte zwar ebenso wenig wie ich aus altem Adel, dennoch waren unsere Familien seit langer Zeit recht vermögend. Meine Vorfahren hatten sich mit Wollhandel einen Namen gemacht, Mary-Ellen stammte aus einer Spinnereifamilie. So war es nur natürlich, dass wir heirateten, schlugen doch alle daraus Profit. Meine Familie bekam nun eine eigene Spinnerei, und mein Schwiegervater musste die Wolle nicht mehr zu teuren Preisen von anderen Händlern einkaufen. Ich durchlebte eine strenge Erziehung, in der das oberste Gebot war, die Wünsche der Eltern zu respektieren und zu befolgen. Zwischen Mary-Ellen und mir war nie von Liebe die Rede, wir glaubten jedoch, uns mit der Zeit mit der Situation arrangieren zu können, die für alle Beteiligten das Beste war. Bald schon mussten wir allerdings feststellen, dass wir wie Hund und Katze waren. Meine Frau liebte es, auszugehen, ins Theater und in die Oper, sie war Gast bei zahlreichen Festen, und an den Wochenenden war unser Haus stets mit Fremden überfüllt, die unsere Zimmer belagerten, unseren Wein tranken und sich wie zu Hause fühlten. Für mich waren diese Leute allesamt Schmarotzer, außerdem sehnte ich mich nach der anstrengenden Arbeit in der Firma nach Ruhe. Mary-Ellen und ich stritten nur noch, bald war kein vernünftiges oder ruhiges Wort mehr zwischen uns möglich. Sogar von Scheidung war die Rede.
    An dem Abend, bevor der Unfall geschah, hatten wir wieder mal eine heftige Auseinandersetzung gehabt. Es war unvermeidlich, dass die Dienerschaft Zeuge unserer Differenzen wurde. Trotzdem ritten wir am nächsten Vormittag gemeinsam aus. Wir beide liebten Pferde und den Aufenthalt in der Natur, das war wahrscheinlich das Einzige, das uns verband. Ich hoffte, an diesem klaren und frischen Frühlingsmorgen noch einmal in Ruhe mit meiner Frau reden und sie davon überzeugen zu können, eine geplante Party, zu der sie am kommenden Wochenende über fünfzig Personen eingeladen hatte, abzusagen. Obwohl es uns nicht schlechtging, merkte ich an meinem Bankkonto, wie viel Geld diese Feste kosteten. Auf Dauer konnten wir uns das nicht leisten.
    Bevor es allerdings zu einer erneuten Aussprache kam, scheute Mary-Ellens Pferd und ging durch. Vielleicht war es durch ein Kaninchen oder ein Wiesel erschreckt worden, ich weiß es nicht. Mary-Ellen, eine gute Reiterin, war an dem Tag jedoch mit ihren Gedanken bei unserem Streit und wurde abgeworfen. Sie fiel so unglücklich, dass bei dem Sturz ihr Genick brach. Sie war sofort tot, es gab nichts mehr, was ich hätte tun können. Da es jedoch für den Unfall keine Zeugen gab, fiel der Verdacht, ich hätte bei dem plötzlichen Tod meiner Frau die Hände im Spiel, sofort auf mich. Jeder wusste, wie schlecht es um unsere Ehe bestellt war und dass ich im Falle einer Scheidung eine hohe Summe an Mary-Ellen hätte bezahlen müssen. Geld, über das ich nicht verfügte.«
    »Aber du wurdest freigesprochen?«, warf Lavinia ein, die ihm gebannt gelauscht hatte.
    Er nickte. »Freispruch aus Mangel an Beweisen.« Er lachte, einen bitteren Unterton in der Stimme. »Du weißt, was das bedeutet? Nicht, dass ich beweisen konnte, an Mary-Ellens Tod unschuldig zu sein, nein, man konnte lediglich meine Schuld nicht eindeutig feststellen. Meine Schwiegereltern sorgten dafür, dass jeder im Umkreis von hundert Meilen davon erfuhr, und sie ließen keinen Zweifel daran, in mir den Mörder ihrer einzigen Tochter zu sehen. Die Aufträge blieben aus, und schließlich war ich gezwungen, die Firma und das Haus, in dem unsere Familie seit vier Generationen lebte, zu verkaufen. Aus diesem Grund bin ich nach Cornwall

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