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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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anderes gedacht hatte, als diese Frau zur Rede zu stellen. Ihr Verdacht hatte sich ja auch bestätigt. Natürlich hätte sie danach sofort nach Sumerhays zurückreiten können, sie war jedoch so aufgewühlt gewesen, dass sie Sebastian einfach sehen
musste
. Die Liebesstunden mit ihm hatten sie so weit beruhigt, dass sie nicht mehr befürchtete, Susan würde kommen und ihr Anabell fortnehmen.
    »Lady Tremayne war hier«, fuhr Zenobia fort. »Sie wollte mit dir über das Herbstfest im Kirchengarten sprechen. Offenbar wart ihr verabredet.«
    Vor lauter Aufregung hatte Lavinia Lady Tremayne völlig vergessen. In der Tat hatten die beiden Damen vor einigen Tagen beschlossen, die Hauptorganisation des jährlichen Herbstfestes der Kirchengemeinde in Polperro zu übernehmen, und sie hatte die Lady am heutigen Nachmittag zum Tee eingeladen, um die ersten Schritte zu besprechen.
    »Ich werde Lady Tremayne ein paar entschuldigende Zeilen schreiben«, murmelte Lavinia und ging an ihrer Schwiegermutter vorbei. »Ich möchte jetzt nach Anabell sehen und mich umziehen, denn es ist Zeit fürs Abendessen.«
    »Aber Lavinia, du kannst nicht einfach …«
    Lavinia wollte sich keine weiteren Vorwürfe Zenobias anhören. Was Anabell betraf, hatte sie sicher recht. Sie hätte das Kind nicht einfach allein lassen sollen. Dass sie jedoch Lady Tremaynes Besuch vergessen hatte, war Lavinia gleichgültig. Die Nachbarin würde gemeinsam mit Zenobia ohnehin die gesamte Organisation an sich reißen, die Lobeshymnen entgegennehmen und Lavinia lediglich als Statistin agieren lassen. Edward erwartete von ihr jedoch ein gewisses Maß an sozialem Engagement. Nicht, weil ihm die Menschen hier in Cornwall etwas bedeuteten oder er, wie in diesem Fall, an der Renovierung des normannischen Taufbeckens, für die der Erlös des Festes verwendet werden sollte, interessiert war. Für Edward wäre es ein Leichtes gewesen, die gesamte Summe, die für den Erhalt des Taufbeckens benötigt wurde, der Kirche zu spenden, das kam für ihn aber nicht in Betracht.
    »Wo kämen wir denn da hin, wenn die Gutsbesitzer alles bezahlen?« Das war seine Meinung. »Dann haben wir bald jede Woche irgendwelche Bittsteller in unserem Haus, und die Leute denken, keinen Finger mehr selbst krumm machen zu müssen, und lassen die Arbeit ruhen.«
    So würde Lavinia also jetzt Strümpfe stricken, Deckchen häkeln und Taschentücher besticken, die dann für den guten Zweck verkauft werden würden. Sie hasste diese Arbeiten, ebenso wie das wohlgefällige Getue des Landadels, der nicht oft genug betonen konnte, wie wichtig ihnen das Wohl ihrer Pächter, Bauern und Fischer waren. Bis vor wenigen Monaten war dies auch Lavinias Welt gewesen, und sie hatte diese nie in Frage gestellt. Seit sie jedoch Sebastian kannte, schien alles verändert, dennoch gab es für sie keine Möglichkeit, aus den gesellschaftlichen Gepflogenheiten ihres Lebens dauerhaft auszubrechen.

17. Kapitel
    B ereits nach wenigen Tagen wusste Susan, dass ihre Entscheidung, ans
Blue Horizon
zurückzukehren, richtig gewesen war. Nach der unerfreulichen Begegnung mit Lavinia Callington war Susan am nächsten Tag aus Cornwall abgereist und hatte noch am selben Abend, an dem sie in London eintraf, Theodor Murphy aufgesucht.
    »Du kannst mir natürlich nicht wieder eine große Rolle geben«, sagte sie, »vielleicht hast du jedoch etwas Kleineres für mich in dem neuen Stück? Für mich wäre es sehr wichtig, wieder in diesem Theater auftreten zu dürfen.«
    Theo musterte Susan von oben bis unten. Seine dichten, buschigen Augenbrauen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen, und für Susan schienen bange Minuten zu vergehen, bis er endlich sagte: »Wie kannst du daran zweifeln, dass ich dich nicht mehr an diesem Theater will, Peggy? Dein Unfall war ein unglücklicher Zufall, der uns zwar eine hervorragende Schauspielerin in Gestalt von Esperanza Montoya beschert hat, aber ich brauche dir doch nicht zu sagen, dass dir mein Haus immer offen steht. Ich habe allerdings gedacht, du würdest dich an anderen Theatern bewerben, anstatt wieder in unser kleines Ensemble zu kommen. An Häusern, in denen du Hauptrollen bekommen könntest …«
    »Ich habe daran gedacht.« Bei Theos freundlichen Worten senkte Susan leicht beschämt den Kopf. »Hier kenne ich jedoch das ganze Team, weiß, wie du arbeitest und was du von uns verlangst und …« Sie zögerte, dann flog ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ach, ich habe euch einfach vermisst und

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