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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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lassen, und jetzt ist der Vater wohl über alle Berge, hä?« Sie lachte gackernd. »Dabei bist doch gar nicht mehr so jung. Normalerweise passiert das nur jungen Dingern, und dann ist die Jammerei groß.«
    »Ich bin verheiratet.« Susan wusste nicht, warum sie der Alten das sagte, sie hatte jedoch das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Wir können uns nur kein weiteres Kind leisten«, fügte sie hinzu.
    Die Alte zuckte mit den Schultern und murmelte: »Soll nicht meine Sache sein.«
    Als Susan nur noch im Unterkleid vor der Frau stand, kniff diese die Augen zusammen. Mit einem routinierten Griff zog sie Susan das Hemd nach oben und legte eine Hand auf deren Bauch.
    »Das ist zu spät.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Susan.
    »Nun, du bist schon im fünften Monat. Unter dem Kleid ist kaum etwas zu sehen, aber ich fühle es ganz deutlich. Mädchen, da ist nichts mehr zu machen.«
    Ein eisiger Schreck durchfuhr Susan. Sie umklammerte das Handgelenk der Alten und flehte: »Sie müssen mir aber helfen! Ich kann dieses Kind nicht bekommen, es darf einfach nicht sein. Ich bezahle auch jeden Preis … in Raten, wenn es geht.«
    Für einen Moment flackerte ein Funken von Mitleid in den Augen der Engelmacherin, als sie erkannte, wie verzweifelt Susan war. Ihre Stimme klang jedoch kalt und hart, als sie sagte: »Das hättest du dir früher überlegen müssen, Mädchen. Wenn ich es versuchen würde, könnte das dein Leben kosten. Ich mache es nicht um jeden Preis, denn ich will niemanden umbringen. Tja, es wird dir nichts anderes übrigbleiben, als das Kind zu bekommen.«
    Wie betäubt zog Susan sich wieder an. Obwohl sich alles in ihr gewehrt hatte, war sie furchtbar enttäuscht, dass die Frau das Kind nicht abtreiben wollte. Susan wusste nicht, ob sie noch mal den Mut aufbringen könnte, eine andere Frau aufzusuchen, die ihr dann wahrscheinlich dasselbe sagen würde.
    An der Tür hielt die Alte die Hand auf.
    »Kostet `nen halben Penny.«
    »Wofür?«, fauchte Susan wütend, aber die Alte blieb eisern.
    »Hab dich schließlich untersucht und meine Zeit verschwendet.«
    Zähneknirschend entnahm Susan dem Beutel einen Halfpenny und gab die Münze der Alten. Beim Fortgehen hörte sie, wie sie ihr nachrief: »Kannst dein Kind immer noch in einer Kirche oder vor einem Waisenhaus ablegen, wenn es da ist und du es nicht haben willst. Das machen viele …«
    Susan hielt sich die Ohren zu, um nichts mehr zu hören. In gut drei Wochen kam Paul nach Hause, und sie musste bis dahin eine Lösung finden. Sie musste einfach!
     
    Eine Woche später wurde Susan von Lärm und lautem Schreien geweckt. Als sie die Augen öffnete, erhellte ein rötlicher Schein das Zimmer, obwohl es mitten in der Nacht war. Mit einem Satz war sie aus dem Bett, zog den Stuhl unter das Dachfenster und stieg hinauf, um hinausschauen zu können. Was sie erblickte, ließ ihr den Atem stocken. Das Nebenhaus – ein altes, vierstöckiges Mietshaus, dem ihren nicht unähnlich – brannte lichterloh. Die Flammen hatten sich über die unteren zwei Etagen ausgebreitet, der Rauch hüllte es bis zum Dach ein. Dennoch erkannte Susan durch den Qualm, dass in den oberen Stockwerken Menschen an den Fenstern hingen und um Hilfe schrien. Sie warf sich schnell ihr Kleid über, steckte alles Geld, das sie hatte, in die Tasche, dann weckte sie Jimmy, zog ihn ebenfalls an und verließ mit ihrem Sohn das Zimmer. Auf dem Flur drängten sich die anderen Mieter auf der Treppe nach unten. Jeder dachte dasselbe wie Susan: Die Flammen könnten auf ihr Haus übergreifen, darum war es wichtig, so schnell wie möglich nach draußen zu kommen. In ihren Armen begann Jimmy zu weinen, aber darauf konnte Susan jetzt keine Rücksicht nehmen. Auf der Straße schlug ihr eine unvorstellbare Hitze entgegen, und der Rauch erschwerte das Atmen. Susan hustete, presste eine Hand auf Jimmys Mund und drängte sich durch die Menschenmenge, von dem brennenden Haus so weit fort wie möglich. Endlich waren die Signalhörner der Feuerwehrwägen zu hören, doch als der Löschzug eintraf, erkannte nicht nur Susan, dass es für die eingeschlossenen Menschen keine Rettung mehr gab. Erschöpft ließ sie sich mit Jimmy am Straßenrand nieder und hoffte, die Feuerwehr würde ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Häuser verhindern. Hunderte von Leuten liefen aufgeregt umher. Immer wieder drangen Satzfetzen an Susans Ohr.
    »Binnen weniger Minuten hat alles gebrannt …«, »Muss wohl unten

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