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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Susan schaute nicht zurück, als sie sagte: »Danke, Lilo, und gib auf Jimmy bitte gut acht.«
    Dann lief sie schnell aus dem Haus, bevor sie es sich anders überlegte. Susan wusste, wenn sie noch einen Blick auf ihren Sohn geworfen hätte, dann hätte sie ihr Vorhaben niemals in die Tat umgesetzt. Ihr Plan war jedoch die einzige Chance, ihr Leben nachhaltig zum Besseren zu verändern.

3. Kapitel
    W as wollen Sie hier an der Vordertür?« Missbilligend rümpfte Monkton die Nase, als er Susan in ihrem mit Ruß beschmutzten Kleid vor dem Portal stehen sah, nachdem er die Tür geöffnet hatte. »Lieferanten und Dienstboten haben den Eingang im Souterrain zu benutzen.«
    Susan ließ sich durch das arrogante Verhalten des hageren Butlers nicht aus der Ruhe bringen und sagte bestimmt: »Ich habe weder etwas zu liefern, noch suche ich eine Stellung, sondern ich komme in einer wichtigen, geschäftlichen Angelegenheit. Melden Sie mich bitte Lady Lavinia. Ich muss sie unbedingt sprechen.«
    »Um diese Uhrzeit schläft Mylady noch«, gab der Butler hochnäsig zurück. In seinem Gesicht war zu lesen, dass er sich fragte, was Susan für Geschäfte mit seiner Herrschaft zu tätigen hätte. »Kommen Sie in zwei oder drei Stunden wieder, dann melden Sie sich aber am Dienstboteneingang.«
    Monkton wollte Susan die Tür vor der Nase schließen, aber blitzschnell schob sie ihren Fuß in den Spalt.
    »Ich bestehe darauf, dass Sie Lady Lavinia wecken. Es ist von außerordentlicher Dringlichkeit, dass ich sie auf der Stelle spreche.«
    Susans Gesichtsausdruck war so entschlossen, dass Monkton zögerte. Er hatte in Susan sofort die Frau wiedererkannt, die vor rund einer Woche Mylady aus dem Wasser gerettet hatte. Zweifelsohne stammte die Person jedoch aus dem Arbeiterviertel, und ihr Gesicht war voller Ruß und das Haar unfrisiert.
    »Warten Sie hier.« Monkton schob Susan energisch aus der Tür, schloss diese und ließ sie auf der Straße stehen.
    Susan musste etwa zwanzig Minuten warten. Die Zeit erschien ihr unendlich lange, und sie kämpfte mit sich, wieder zu gehen und ihren Plan fallenzulassen, doch schließlich harrte sie aus. Sie dachte an Paul und an Jimmy, in erster Linie an Jimmy, der ein besseres Leben, als sie ihm bieten konnte, verdient hatte. Wenn Paul erst wieder zurück war, dann würde die ganze Familie erneut in den Sumpf der Armut und des Verbrechens gezogen, und das musste sie verhindern. Susan hatte sich entschlossen und durfte jetzt nicht schwachwerden. Vielleicht war Lavinia Callingtons Angebot nicht ernst gemeint gewesen, in diesem Fall konnte sie immer noch nach Hause zurückkehren und so tun, als sei nichts geschehen. Endlich öffnete sich die Tür wieder, und ein Hausmädchen führte Susan nach oben in das ihr bereits bekannte Boudoir. Lady Lavinia schien gerade erst aufgestanden zu sein, denn sie empfing Susan in ihrem Morgenmantel, das hüftlange, brünette Haar offen und nur notdürftig gekämmt.
    »Was wollen
Sie
hier?«
    Susan hatte mit einer solch unfreundlichen Begrüßung gerechnet und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie wartete, bis Lavinia das Mädchen hinausgeschickt hatte. Dabei registrierte sie, dass Mylady ihr keinen Kaffee oder Tee anbot, obwohl sie selbst eine Kaffeetasse vor sich stehen hatte. Susan sah Lavinia entschlossen in die Augen und sagte: »Seit unserem Gespräch vorige Woche frage ich mich, ob Sie überhaupt in der Lage sind, tausend Pfund aufzutreiben.«
    Lavinia schnappte hörbar nach Luft.
    »Wie kommen Sie dazu, mir eine solch unverschämte Frage zu stellen?«
    »Unverschämt? Das finde ich nicht.« Susan lächelte unschuldig, obwohl ihr vor Aufregung das Herz im Hals klopfte. Während des Weges von Lambeth nach Belgravia hatte sie sich ihre Worte gut überlegt. »Ich stelle diese Frage, da Sie erwähnten, im Falle einer Trennung würden Sie völlig mittellos dastehen. Das kann ich jedoch nicht verstehen, wenn Sie offenbar in der Lage sind, mir eine solch große Summe zu geben, falls ich Ihnen mein Kind überlasse.« Unwillkürlich legte Susan eine Hand auf ihren Bauch. »Ich nehme an, von dieser Zahlung darf Ihr Ehemann selbstverständlich nichts wissen, oder?«
    Lavinia kniff die Augen zusammen. Sie ahnte, worauf die junge Frau hinauswollte, und auch ihr Herzschlag beschleunigte sich, und sie bekam kreisrunde rote Flecken auf den Wangen.
    »Warum wollen Sie das wissen, Susan Hexton?«
    Susan holte tief Luft und stieß hervor: »Ich bin gekommen, Ihr Angebot anzunehmen.«

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