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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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einen Garten, und Jimmy hatte bereits sein Herz an das kleine, schwarz-weiß gefleckte Fellknäuel, das Susan keiner Rasse zuordnen konnte, verloren.
    »Wenn du weiterhin fleißig lernst und gute Noten nach Hause bringst – meinetwegen!«
    Mit dem Welpen auf dem Arm, umarmte Jimmy sie stürmisch. Es war das erste Mal, dass der Junge sich freiwillig in ihre Arme geworfen hatte.
    »Ach, danke! Ich bringe den Kleinen jetzt wieder zurück zu seiner Mutter. Sicher hat er Hunger …«
    Susan und Rosalind sahen ihm lächelnd nach, und Anabell zupfte an Susans Ärmel.
    »Wollen Sie mein Puppenhaus sehen?«
    Susan zögerte und warf einen Blick zu Rosalind. »Ich weiß nicht …«
    »Geh nur, sonst platzt Anabell noch vor Stolz. Das Puppenhaus ist nämlich ihr Ein und Alles. Sie wird nicht müde, andauernd die Zimmer neu einzurichten und die Möbel umzustellen.«
    Während Susan hinter Anabell die Treppe in den Kindertrakt hinaufstieg, fühlte sie sich wie in einer anderen Welt. Zum ersten Mal war sie mit ihrer Tochter allein. Sie beobachtete genau jede ihrer Bewegungen, wie sie ihre kleinen Füße auf die Stufen setzte und wie sich ihre schmalen Finger um das Treppengeländer schmiegten. Am liebsten hätte Susan das Mädchen in die Arme gerissen und sie geküsst, doch das würde ihr niemals gestattet sein.
    Anabells Spielzimmer – ihr Schlafzimmer und der Raum, in dem sie Unterricht erhielt, lagen gleich nebenan – war lichtdurchflutet und mit hellen Möbeln eingerichtet. Auf einem Tisch stand ein dreistöckiges Puppenhaus mit vielen Zimmern, die bis ins kleinste Detail eingerichtet waren. Mit leuchtenden Augen erklärte Anabell eifrig, welchem Zweck jeder Raum diente und wie die Menschen, die in Form von kleinen Puppen auf Sesseln und Stühlen saßen, hießen und welche Funktionen sie in dem Haus hatten. Dabei wanderte ihre Zungenspitze immer wieder über ihre Unterlippe. Susan erinnerte sich, dass sie das als Kind auch getan hatte. Ihre Mutter hatte sie häufig dafür getadelt und gemeint, es wirke, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf. Bei Anabell sah es aber reizend aus.
    »Ich bin so froh, dass Mama bald wieder heimkommt«, sagte Anabell plötzlich. »Es ist nicht schön, wenn sie nicht da ist.«
    »Du liebst deine Mama sehr, nicht wahr?«, fragte Susan, einen Kloß im Hals.
    Anabell nickte. »Natürlich, auch Tante Rosalind mag ich. Aber Mama ist doch anders, auch wenn sie in letzter Zeit oft traurig ist und weint. Ich gehe dann immer zu ihr und versuche, sie zu trösten, sie sagt mir aber nicht, was ihr weh tut. Ich hoffe, in diesem Krankenhaus finden sie, was Mama traurig macht, und machen sie wieder ganz gesund.«
    Erneut war Susan über Anabells altkluge Art erstaunt. Das hatte sie weder von ihr und noch weniger von ihrem Erzeuger. Offenbar prägten das Umfeld, in dem ein Kind aufwuchs, und die Erziehung den Charakter mehr als eine erbliche Vorbelastung.
    »Deinen Vater liebst du auch, oder?«, fragte Susan. Sie wusste, es war nicht recht, das Kind derart auszufragen, aber eine solche Gelegenheit bot sich ihr wahrscheinlich nie wieder. Wenn Lavinia zurück war, würde sie, Susan, keinen Fuß mehr ins Herrenhaus setzen dürfen.
    Susan entging nicht, wie Anabell erst nachdachte, bevor sie ihre Frage beantwortete.
    »Vater mag ich ebenfalls, er ist ja auch mein Vater.«
    Susan ging vor dem Mädchen in die Hocke, nahm ihre Hände und sah ihr in die Augen.
    »Aber deine Mama magst du mehr?«
    Eifrig nickte das Kind. »Vater ist die meiste Zeit in London, er kommt uns selten besuchen. Ich mag die Stadt nicht und bleibe lieber hier. Aber immer, wenn Vater hier ist, muss ich mit ihm ausreiten.«
    »Magst du denn nicht reiten?«
    »Schon, früher auf meinem Pony war es schön. Vater will aber, dass ich ein richtiges Pferd reite, doch die sind so furchtbar groß. Wenn ich aber weine, weil ich Angst habe, dann schimpft er ganz schrecklich mit mir, und Mama wird dann auch immer so traurig.«
    Susan zerriss es beinahe das Herz.
    »Musst du sonst etwas tun, was du nicht möchtest?«, hakte sie vorsichtig nach.
    Anabell nickte. »Ich mag nicht auf die Jagd gehen. Es ist nicht schön, wenn man Tiere tötet. Vater sagt zwar, ich esse ja auch das Fleisch dieser Tiere, aber ich weiß, dass ich niemals auf ein Tier schießen werde. Ich muss immer weinen, wenn Vater ein Reh oder einen Fasan totschießt.«
    »Dein Vater will sicher nur das Beste für dich«, sagte Susan leise. »Eines Tages wirst du eine richtige Lady sein,

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