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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Fußknöchel. Wir werden Lady Callington einige Tage zur Beobachtung hierbehalten, es besteht aber keine Lebensgefahr oder die Gefahr von bleibenden Schäden, wenn sie sich die nächsten Wochen schont. Wenn man sie nicht so schnell gefunden hätte, hätte es anders ausgehen können, denn mit Kopfwunden ist nicht zu spaßen.«
    Susan wartete auf dem Flur, als Rosalind und Anabell das Krankenzimmer betraten. Nach den Worten des Arztes hatte Anabell wieder heftig zu weinen begonnen, dieses Mal aber vor Erleichterung. Trotz ihrer acht Jahre verstand sie nämlich genau, wie knapp ihre Mutter dem Tod entronnen war. Unruhig ging Susan in dem schmalen Gang, in dem es nach Desinfektionsmittel und Schmierseife roch, auf und ab. Sie hoffte, Rosalind würde sie nicht erwähnen, denn Susan konnte sich Lavinias Reaktion vorstellen, wenn diese erfuhr, dass sie, Susan, erneut mit Anabell zusammengetroffen war. Dabei war sie dieses Mal völlig schuldlos daran. Stephens Worte im Ohr, hatte Susan nach einer Ähnlichkeit Anabells mit ihr selbst gesucht. Es stimmte – das Mädchen hatte die gleichen grauen Augen mit einem dichten Kranz dunkler Wimpern wie sie selbst. Auch der Schnitt der Augenpartie und die Bögen der Brauen entsprachen ihrem Aussehen. Die Nase und den Schwung ihrer Lippen hatte das Kind jedoch von dem schmierigen Vermieter geerbt, an den Susan auch heute noch nur schaudernd zurückdenken konnte. Anabell war ein sehr hübsches Mädchen, viel hübscher, als Susan jemals gewesen war, darüber hinaus war sie für ihr Alter sehr aufgeweckt. Nun, sie würden nachher zusammen zurückfahren, danach würde sie Anabell nicht wiedersehen.
    Eine Stunde blieben Rosalind und Anabell bei Lavinia, dann meinte eine resolute Schwester, die Patientin brauche jetzt Ruhe. Bevor sie zurückfuhren, tranken sie in der Cafeteria des Hospitals noch einen Tee, und Anabell bekam eine Limonade. Der Tee war schwach und schmeckte nach gefärbtem Wasser, doch Anabell begann schon wieder zu lachen. Jetzt, nachdem sie sich selbst überzeugt hatte, dass ihre Mutter zwar krank war, bald aber wieder nach Hause kommen würde, richtete sich ihr Interesse auf andere Dinge.
    »Ich kenne Sie«, sagte Anabell plötzlich und starrte Susan an. »Sie haben uns aber noch nie auf Sumerhays besucht.«
    Rosalind runzelte die Stirn, und Susan sagte rasch: »Vor ein paar Jahren, da warst du noch ein kleines Kind, habe ich mal in der Gegend gewohnt. Vielleicht sind wir uns da mal begegnet?«
    »Nein!« Entschieden schüttelte Anabell den Kopf. »Ich erinnere mich – damals hatte ich ein Kindermädchen. Sie hieß Nancy, ich nannte sie aber nur Nanny. Sie waren eine Freundin von ihr, aber plötzlich musste Nanny gehen, und Sie waren auch weg.«
    Rosalinds Blick wurde immer fragender, und Susan zwang sich zu einem Lächeln.
    »Die Kleine muss mich mit jemandem verwechseln«, flüsterte sie Rosalind ins Ohr. »Ich kenne niemanden mit dem Namen Nancy.«
    »Wir sollten jetzt gehen.« Rosalind stand auf. »Anabell, trink aus. Deine Großmutter wird warten, um zu hören, wie es deiner Mama geht.«
    »Bekomme ich noch ein Eis?« Schon war die Erinnerung an Susan vergessen. »Im Auto ist es so warm.«
    Rosalind erfüllte den Wunsch des Mädchens und kam im Wagen auch nicht mehr auf deren Worte zu sprechen, stattdessen fragte Susan: »Was ist eigentlich genau geschehen? Hat Lady Lavinia sich erinnert, warum sie vom Pferd gestürzt ist?«
    Ein Schatten fiel über Rosalinds Gesicht. »Sie meinte, ein Kaninchen hätte das Pferd erschreckt, woraufhin es sich aufbäumte. Da Lavinia damit nicht gerechnet hatte, rutschte sie aus dem Sattel und fiel unglücklich mit dem Kopf auf einen Felsbrocken, die in dieser Gegend ja zahlreich herumliegen. Es ist wirklich ein Wunder, dass sie sich nicht schlimmer verletzt hat.«
    Susan bat den Chauffeur, an der Crumplehorn Mill oberhalb von Polperro zu halten.
    »Die paar Schritte kann ich zu Fuß gehen«, meinte sie, »und Sie müssen den Wagen nicht durch die engen Gässchen manövrieren.« Sie gab erst Anabell, dann Rosalind die Hand. »Ich wünsche Lady Lavinia, dass sie ganz schnell wieder gesund wird. Danke, Rosalind, dass du mich informiert hast.«
    Rosalind hielt ihre Hand fest.
    »Susan, da meine Schwägerin jetzt wohl noch eine Weile im Hospital bleiben muss und meine Mutter auch nicht gerade die beste Gesellschafterin ist … hast du nicht Lust, uns die nächsten Tage zu besuchen? Anabell scheint dich zu mögen, und du könntest Jimmy

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