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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Rocktasche entnahm. Als Susan den Kutscher bitten wollte, zu warten, um sie nach Hause zu fahren, schien die Dame ihre Gedanken erraten zu haben, denn sie sagte: »Meine eigene Kutsche wird Sie später heimbringen.«
    Susan nickte und folgte der Fremden die Stufen hinauf. Die Fenster in den ersten zwei Stockwerken waren hell erleuchtet, und die Haustür wurde sofort geöffnet, nachdem die Dame den Türklopfer betätigt hatte.
    »Monkton, veranlassen Sie, dass zwei heiße Bäder eingelassen werden. Meine Begleitung und ich sind etwas nass geworden.«
    Erstaunt hörte Susan, wie bestimmend, fast schon arrogant plötzlich die Stimme der Dame klang. Von ihrer Verzweiflung war nichts mehr zu spüren. Offenbar war sie es gewohnt, Befehle zu erteilen, ebenso, wie der Butler diese nicht in Frage stellte und unverzüglich befolgte. Er verbeugte sich mit unbewegter Miene und sagte mit sonorer Stimme: »Selbstverständlich, Mylady, ich werde sofort zwei Mädchen nach oben schicken.«
    Während Susan an dem hochgewachsenen, grauhaarigen Mann vorbeiging, warf sie einen verstohlenen Blick in sein Gesicht. Wenn er sich darüber wunderte, dass seine Herrin verdreckt und durchnässt und dazu noch mit einer Unbekannten im Schlepptau nach Hause kam, so wies nichts in seiner Mimik darauf hin. Sie hatte keine Zeit, sich in dem Vestibül und in der Halle umzusehen, denn die Dame schritt so entschlossen und schnell die Treppe hinauf, dass Susan Mühe hatte, ihr zu folgen. Im zweiten Stock öffnete sie eine Tür.
    »Das Wasser wird gleich eingelassen. Ich werde anweisen, dass man Ihnen ein trockenes Kleid bringt.«
    Susan, die sonst nicht auf den Mund gefallen war, trat durch die Tür, in der Annahme, eines der Gästezimmer zu betreten. Umso erstaunter war sie, als sie erkannte, dass sie sich in einem Badezimmer befand. Sie hatte davon gehört, dass die reichen Leute Räume hatten, die einzig und allein dafür da waren, um sich darin zu waschen und zu baden, hatte aber nicht geglaubt, so etwas einmal mit eigenen Augen zu sehen. In den Kreisen, in denen Susan verkehrte, erhitzte man das Wasser auf dem Feuer in der Küche, wo man sich auch wusch, und wenn man baden wollte – falls überhaupt, denn ein Vollbad war ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten –, wurde eine Zinkwanne in die Küche geschleppt und diese mit Wasser gefüllt. Susan konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein Vollbad genommen hatte, es war jedoch schon einige Jahre her.
    Kaum war die Dame verschwunden, betrat ein junges Mädchen, nicht älter als fünfzehn Jahre, den Raum. Zu Susans Verwunderung knickste sie vor ihr.
    »Ihr Bad ist gleich bereit, Miss.«
    Das Mädchen trat zu der großen, beinahe den ganzen Raum einnehmenden Badewanne und drehte beide Messinghähne auf. Dampf stieg auf, als das heiße Wasser in einem dicken Strahl in die emaillierte Wanne schoss. Fließendes Wasser, dachte Susan und seufzte kaum vernehmlich vor Freude, endlich die nassen Sachen ausziehen zu können. Erst jetzt merkte sie, dass sie vor Kälte am ganzen Körper zitterte. Nachdem die Wanne halb gefüllt war, sah das Mädchen sie fragend an.
    »Darf ich Ihnen Rosenöl zusetzen, oder bevorzugen Sie Badeschaum?«
    »Äh … Rosenöl …«, antwortete Susan verwirrt. Sie kannte weder das eine noch das andere und schnupperte fasziniert, als das Mädchen einen Glasflakon öffnete und ein paar Tropfen einer hellroten Flüssigkeit in das Wasser träufelte.
    Während Susan ihr Kleid aufknöpfte, fragte sie: »Wie lautet noch mal der Name deiner Herrin?« Als sie den erstaunten Blick des Hausmädchens bemerkte, fuhr Susan, rasch erklärend, und die Wahrheit ein wenig verändernd, fort: »Wir haben uns erst vorhin kennengelernt, und ich habe ihren Namen nicht richtig verstanden.«
    »Oh, ich verstehe.« Das Mädchen nickte zwar, Susan vermutete jedoch, dass sie ebenso wenig wie der Butler verstand, warum Susan in diesem Haus war. Für die Domestiken gab es jedoch klare Anweisungen, sich nicht in die Angelegenheiten der Herrschaft zu mischen, daher beantwortete sie bereitwillig Susans Frage. »Das ist das Haus von Lord und Lady Callington. Mylord ist der sechste Viscount of Tredary in Cornwall und Parlamentsabgeordneter für Südost-Cornwall. Er und Lady Lavinia sind seit fünf Jahren verheiratet.«
    »Haben sie Kinder?«, fragte Susan, die Gesprächigkeit des Mädchens ausnutzend.
    »Bisher nicht, Miss.«
    »Wie ist eigentlich dein Name?«, fragte Susan und lehnte sich mit

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