Das Lied der Luege
die das Weihnachtsfest in London verbringen.«
Die Gesichter von Ronalds Eltern blieben unbewegt, lediglich Frances McPhearson-Grant lächelte Susan schüchtern an. Ihre Stimme war leise wie die eines jungen Vögelchens, als sie sagte: »Ich war so gespannt, Sie kennenzulernen, Miss Sue. Leider hatte ich bisher nicht das Vergnügen, Sie auf der Bühne zu sehen, aber vielleicht …«
»Nun,
diese
Art von Theater ist nicht gerade das, was wir zu unserer Erbauung aufsuchen.« Zum ersten Mal sprach Ronalds Mutter, und ihr Tonfall war kühl und der Blick aus ihren hellblauen Augen so eiskalt, dass Susan ein Schauer über den Rücken lief, obwohl der Saal gut beheizt war.
Susan nickte kurz und ließ sich von Ronald den Stuhl zurechtrücken. Bei dem herantretenden Ober bestellte Ronald Tee, Sandwiches und Kuchen für alle, dabei bemerkte Susan, dass sein Vater sie nicht aus den Augen ließ.
»Ich habe sie mir anders vorgestellt, Ronald. Nicht so elegant«, sagte er direkt. »Wenn man bedenkt, dass sie Schauspielerin ist.«
Bevor Susan antworten konnte, ergriff Ronald das Wort.
»Vater, ich sagte euch bereits, dass Peggy Sue keine gewöhnliche Schauspielerin ist, die auf irgendwelchen Tingeltangel-Bühnen auftritt. Nein, ihre Bühnen sind die großen in England, und auch auf dem Festland ist sie bekannt.«
Susan knetete ihre Finger im Schoß und knirschte innerlich mit den Zähnen. Erneut wurde über sie gesprochen, als wäre sie Luft, trotzdem behielt sie ein freundliches Lächeln bei. Frances McPhearson-Grant brach das Eis, indem sie interessiert fragte: »Sind Sie tatsächlich mit Sarah Bernhardt befreundet?
Der
Sarah Bernhardt?«
Susan nickte und bemühte sich um ein freundliches Lächeln.
»Ja, Miss Frances. Madame Sarah war so freundlich, mich in ihr Haus nach Frankreich einzuladen. Ich reise in zwei Tagen ab.«
»Oh, Ronald meinte, Sie würden den Jahreswechsel auf unserem Familienstammsitz in Schottland verbringen«, bemerkte Lady McPhearson-Grant und runzelte missbilligend die Stirn. »Das war einer der Gründe, warum wir die weite Fahrt von Inverness nach London gemacht haben. Ich dachte, während der Rückfahrt können wir uns ein wenig besser kennenlernen.«
Susan warf Ronald einen ärgerlichen Seitenblick zu. Trotz ihres Gesprächs am Morgen schien er nicht begriffen zu haben, dass sie nach Frankreich und sonst nirgendwohin fahren würde.
»Es tut mir leid, Mylady«, antwortete Susan so freundlich, wie es ihr möglich war. »Die Reise auf die Belle-Île ist seit Wochen geplant, und ich kann meine Pläne nicht mehr ändern.«
»In Frankreich ist es sicher wärmer als in unserem alten, zugigen Kasten«, rief Frances dazwischen, was ihr einen ermahnenden Blick von ihrer Mutter einbrachte. »Verzeih, Mama«, sagte sie und senkte den Blick.
Der Ober brachte den Tee und das Gebäck, und das Gespräch verstummte, bis er eingeschenkt und den Damen vorgelegt hatte. Nachdem der Laird einen Schluck Tee getrunken hatte – den Kuchen rührte er nicht an –, richtete sich sein Blick wieder auf Susan.
»Gestatten Sie mir anzumerken, dass ich es etwas … befremdlich finde, dass Sie als Frau allein nach Frankreich reisen möchten. Nun, für Schauspielerinnen gelten offenbar andere Regeln, das zeigt sich ja in allen Lebenslagen. Mein Sohn hat jedoch einen Dickkopf, und so war ich bereit, Sie mir anzusehen, bevor die Verlobung bekanntgegeben wird.«
»Verlobung?« Susan verschluckte sich an einem Kuchenkrümel und unterdrückte mit Mühe einen Hustenanfall, ihr Gesicht färbte sich jedoch purpurrot.
»Vater … Mama …« Ronald rutschte sichtlich unbehaglich auf dem Stuhl hin und her, und seine Mutter fiel ihm ins Wort.
»Ich stimme meinem Mann zu.« Ihre Stimme war immer noch kalt und emotionslos. »Wir wissen, lieber Ronald, dass wir dir diese Heirat nicht ausreden können. Du würdest dich eher von der Familie lossagen, als auf diese Frau zu verzichten. Da du jedoch unser einziger Sohn bist, müssen wir eben sehen, wie wir das Beste aus der Situation machen können.« Ihr Blick heftete sich auf Susan, die wieder frei atmen konnte. »Obgleich wir uns natürlich eine andere Schwiegertochter als ausgerechnet eine Schauspielerin gewünscht hätten. Sie verzeihen, Miss Peggy, dass wir über eine solche Verbindung nicht hocherfreut sind, trotzdem werden wir Ronalds Wunsch akzeptieren. Dennoch mutet es mich seltsam an, dass Sie allein verreisen möchten. Wäre Ihr Platz nicht an der Seite Ihres
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