Das Lied der Maori
natürlich von den Mädchen bei Daphne geschwärmt; angeblich waren sie ziemlich hübsch und die Zimmer sauber. Doch die Vorstellung, dieser süßen kleinen Rothaarigen den Hof zu machen, gefiel William erheblich besser als der Gedanke an eine schnelle Befriedigung in den Armen einer Prostituierten.
Auch das Zimmer gefiel ihm, das Elaine jetzt für ihn aufschloss. Es war ordentlich und mit Möbeln aus hellem Holz schlicht, aber liebevoll möbliert. Es gab Bilder an den Wänden, ein Krug mit Wasser zum Waschen stand bereit.
»Sie können auch das Badehaus benutzen«, erklärte Elaine und wurde dabei ein bisschen rot. »Aber da müssen Sie sich vorher anmelden. Fragen Sie Grandma, Mary oder Laurie.«
Mit diesen Worten wollte sie sich abwenden, doch William hielt sie sanft zurück.
»Und Sie? Sie kann ich nicht fragen?«, erkundigte er sich mit weicher Stimme und blickte sie aufmerksam an.
Elaine lächelte geschmeichelt. »Nein, ich bin meist nicht hier. Nur heute vertrete ich Grandma. Aber ich ... also, normalerweise helfe ich im O’Kay Warehouse. Das Geschäft gehört meinem Vater.«
William nickte. Also war sie nicht nur hübsch, sondern auch aus gutem Hause. Das Mädchen gefiel ihm immer besser. Und diverse Utensilien zum Goldgraben brauchte er sowieso. »Ich schau bald mal vorbei«, sagte William.
Elaine schwebte förmlich die Treppe hinunter. Es war ein Gefühl, als hätte ihr Herz sich in einen Heißluftballon verwandelt, der sie nun in lebhaftem Aufwind über alle Erdenschwere hinweghob. Ihre Füße berührten kaum den Boden, und ihr Haar schien im Wind zu wehen, obwohl sich im Haus natürlich kein Lüftchen regte. Elaine strahlte; sie hatte das Gefühl, am Beginn eines Abenteuers zu stehen und dabei so schön und unbesiegbar zu sein wie die Heldinnen in den Romanheften, die sie heimlich in Ethans Kramladen las.
Mit diesem Ausdruck im Gesicht tanzte sie in den Garten des großen Stadthauses, das Helen O’Keefes Pension beherbergte. Elaine kannte es gut; sie war in diesem Haus geboren. Ihre Eltern hatten es für ihre wachsende Familie errichten lassen, als das Geschäft erste Gewinne machte. Dann aber war es ihnen mitten in Queenstown zu laut und zu städtisch geworden. Vor allem Elaines Mutter, Fleurette, die von einer der großen Schaffarmen in den Canterbury Plains stammte, vermisste das freie Land. Deshalb hatten Elaines Eltern auf einem traumhaften Grundstück am Fluss neu gebaut, dem eigentlich nur eines fehlte: Goldvorkommen. Elaines Vater hatte es ursprünglich als Claim abgesteckt, doch gleich wie viele Talente Ruben O’Keefe auch besaß – als Goldsucher war er ein hoffnungsloser Fall. Zum Glück hatte Fleurette das schnell erkannt und ihre Mitgift deshalb nicht in das aussichtslose Unternehmen »Goldmine« investiert, sondern in Warenlieferungen. Hauptsächlich Spaten und Goldpfannen, die sich die Goldgräber aus den Händen rissen. Später war daraus das O’Kay Warehouse entstanden.
Das neue Haus am Fluss nannte Fleurette scherzhaft »Goldnugget Manor«, doch irgendwann hatte der Name sich eingebürgert. Elaine und ihre Brüder waren dort glücklich aufgewachsen. Es gab Pferde und Hunde, sogar ein paar Schafe, ganz wie in Fleurettes Heimat. Ruben fluchte, wenn er die Tiere alljährlich scheren musste, und auch seine Söhne Stephen und George fanden wenig Gefallen an der Farmarbeit. Ganz im Gegensatz zu Elaine. Für sie kam das kleine Landhaus nie an Kiward Station heran, die große Schaffarm, die ihre Großmutter Gwyneira in den Canterbury Plains leitete. Zu gern hätte sie auch auf so einer Farm gelebt und gearbeitet, und so war sie ein bisschen neidisch auf ihre Cousine, die den Hof später erben sollte.
Elaine war allerdings kein Mädchen, das lange grübelte. Sie fand es fast genauso interessant, im Laden zu helfen oder ihre Großmutter in der Pension zu vertreten. Dagegen hatte sie wenig Lust, aufs College zu gehen wie ihr älterer Bruder Stephen, der nun in Dunedin Jura studierte und damit den Traum seines Vaters erfüllte, der sich als junger Mann selbst gewünscht hatte, Anwalt zu werden. Ruben O’Keefe war seit fast zwanzig Jahren Friedensrichter in Queenstown, und für ihn gab es nichts Schöneres, als mit Stephen über juristische Themen zu fachsimpeln. Elaines jüngerer Bruder, George, ging noch zur Schule, schien aber der Kaufmann in der Familie zu sein. Schon jetzt half er mit Feuereifer im Laden und hatte tausend Verbesserungsideen.
Helen O’Keefe, die von der
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