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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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wieder zu. Er nahm einen Becher mit Wasser vom Nachttisch, gab ein paar Tropfen hinein und reichte ihn ihr. »Trink das. Für die nächsten zwei Tage ist absolute Bettruhe angesagt.«  
    Sie wollte etwas sagen, wollte ihn auffordern, auszusprechen, was er dachte, aber sie fühlte sich unglaublich schwach und klein. Und so nahm sie nur den Becher und trank die bittere Medizin.  
    Sie würde alles ertragen können. Jeden Vorwurf, jede Strafpredigt. Am Ende würde McIntyre wahrscheinlich die Scheidung verlangen oder sie zumindest verstoßen. Damit würde sie irgendwie leben können. Wenn sie ihn nur nicht länger ertragen musste.  
    Wieso sagte er nichts? Wieso schrie er sie nicht an oder machte ihr zumindest Vorwürfe? Und wieso sagte er kein Wort über Duncan?  
    »Wo ist er?«, brachte sie stockend hervor.  
    »Wer?«  
    »Duncan.« Ihre Stimme drohte zu brechen. »O’Sullivan. Was ist mit ihm?« Angst kroch kalt in ihrem Magen hoch.  
    McIntyre nahm den einzigen Stuhl im Raum und setzte sich. »Man hat ihn nach Parramatta gebracht. Ins Gefängnis.« Ihm war keine Regung anzusehen. »Nächste Woche findet die Verhandlung statt.«  
    Ein Schauer überlief sie. Sie wollte etwas sagen, wollte mehr wissen, aber noch bevor sie auch nur eine Silbe herausbrachte, war sie schon wieder weggedämmert.  
    Als sie erneut zu sich kam, saß Ann auf dem Stuhl und nähte an einem Hemdsaum. Moira blinzelte kurz und schloss dann wieder die Augen. Mit einem scharfen Stich der Angst kehrte die Erinnerung an McIntyres Worte zurück.  
    Duncan war im Gefängnis. Nächste Woche sollte die Verhandlung stattfinden. Wenn es eine Verhandlung gab, würden sie es nicht bei ein paar Peitschenhieben belassen. Größere Delikte durften nicht willkürlich bestraft, sondern mussten vor Gericht verhandelt werden. Was würde Duncan für den Fluchtversuch erwarten? Fitzgerald, den rothaarigen Hünen, hatten sie ausgepeitscht und um ein Haar nach Norfolk Island geschickt. Aber Fitzgerald war ein Unruhestifter und Lebenslänglicher. Bei Duncan lag der Fall ganz anders, und hier zählten doch sicher auch mildernde Umstände. Schließlich hatte er sie zurückgebracht und ihr damit das Leben gerettet.  
    »Ann«, flüsterte sie. »Hol den Doktor.«  
    Sofort ließ Ann das Nähzeug sinken und sprang auf.  
    »Ich werde aussagen«, erklärte Moira, als McIntyre die Schlafkammer betrat.  
    McIntyre nickte. »Sicher, das wirst du. Aber so, wie ich es will.« Kurz verzerrte sich sein Gesicht, als hätte er Schmerzen, dann glätteten sich seine Züge wieder. »Du wirst aussagen, dass er dich gegen deinen Willen entführt hat. Dass er dich in die Wildnis geschleppt hat, um –«  
    »Aber das ist nicht wahr!« Moira richtete sich im Bett auf. Sofort schoss ein scharfer Schmerz durch ihren Unterleib.  
    »Lass mich gefälligst ausreden! Dass er dich in die Wildnis geschleppt hat, um Lösegeld zu erpressen. Es war einzig und allein seine Schuld.«  
    »Aber … so war es nicht! Er hat mich sogar gerettet. Er hat –«  
    »Dich entführt!«, fiel McIntyre ihr ins Wort. »Das und nichts anderes wirst du aussagen.«  
    Allmählich verstand Moira seinen perfiden Plan. Er wollte alle Verantwortung auf Duncan abladen. Dann gäbe es keinen Skandal, niemand würde etwas von dem Ehebruch erfahren, und McIntyres Ruf bliebe unbefleckt, genau wie der ihre. Aber Duncan würde sich nicht nur wegen Flucht, sondern auch wegen Entführung verantworten müssen. Ein Eisklumpen ballte sich in ihrem Bauch zusammen.  
    Sie schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht. Dazu könnt Ihr mich nicht zwingen!«  
    McIntyre lächelte grimmig. »Doch, Weib, das kann ich. Solltest du nicht in meinem Sinne aussagen, werde ich dem Gericht erzählen müssen, dass O’Sullivan nicht nur ein flüchtiger Sträfling und Entführer ist, sondern auch ein Dieb. Er hat schließlich den Karren, meine Arzttasche und das Pferd gestohlen. Und ich bin sicher, du weißt, was das für ihn bedeuten würde.«  
    Ja, das wusste sie. Im englischen Recht zählte das Eigentum mehr als das Leben. Es konnte geschehen, dass ein Totschläger mit einer Gefängnisstrafe davonkam, während der Diebstahl von Gütern, die mehr als fünf Shilling wert waren, mit dem Tode bestraft wurde.  
    Ihr ganzer Körper gefror zu Eis. Wenn McIntyre seine Drohung wahrmachte, würden sie Duncan hängen.  

16.  
     
    Der Tag neigte sich dem Abend zu, es wurde wieder kühler. Duncan schlang die Arme um sich. Die

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