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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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Hauch von Parfüm wehte zu Duncan herüber. Natürlich. In einer Gefängniszelle roch es nun einmal nicht gut.  
    »Sir.« Duncan versuchte sich aufzurichten, kam aber wegen der Handfesseln nicht weit. Eine widersprüchliche Mischung von Empfindungen jagte durch seine Adern: Erleichterung, dass der Doktor offenbar keinen größeren Schaden genommen hatte; Beschämung angesichts dessen, was er ihm angetan hatte. Und über allem die Angst um Moira. McIntyres Besuch hatte sicher nichts Gutes zu bedeuten.  
    Der Doktor sah ihn lange und schweigend an. So lange, bis Duncan die Ungewissheit nicht länger aushielt. »Ist sie …« Er brachte es nicht über die Lippen. »Wie geht es … Mrs McIntyre?«  
    »Wage nicht, ihren Namen auszusprechen, du gewissenloser Schuft!« Der Doktor nahm das Taschentuch herunter. »Was hast du mit ihr angestellt?«  
    Vor Duncan schien sich ein Abgrund aufzutun. »Wie geht es ihr? Bitte, Sir!«  
    McIntyre sah ihn mit unbewegter Miene an. »Sie ist über den Berg. Noch ein, zwei Tage, dann kann sie wieder aufstehen.«  
    Duncan war so erleichtert, dass er für einen Moment sogar seine eigene missliche Lage vergaß. »Danke!«, murmelte er. »Danke.«  
    McIntyre musterte ihn nachdenklich. »Liebst du sie?«  
    »Sir?«  
    »Antworte mir einfach. Liebst du sie?«  
    Duncan senkte den Blick. Was sollte diese Frage? Und was würde seine Antwort für Moira bedeuten? Aber stand nicht schon in der Bibel: »Eure Rede sei ja, ja, nein, nein.«? Er hob den Kopf und blickte McIntyre an. »Ja, Sir.«  
    »Schön.« Zu Duncans Überraschung nickte McIntyre so zufrieden, als sei Duncan ein gelehriger Schüler. »Dann wird dir sicher daran gelegen sein, dass es ihr auch weiterhin gut geht.«  
    Duncan sah ihn stumm an, wartete darauf, dass er weitersprach.  
    »Ich bin hier, um dir einen Handel vorzuschlagen.« McIntyre ging wenige Schritte in der Zelle auf und ab, dann stellte er sich wieder vor ihn. »Solltest du nicht tun, was ich von dir verlange, werde ich Moira verstoßen. Stell dir vor, wie es ihr dann ergehen würde. Sie hätte kein Geld, keine Bleibe, keine Zukunft. Niemand würde ihr helfen. Alle würden sich von ihr abwenden, wenn sie erfahren, was sie getan hat. Sie wäre ganz allein. Sie wäre eine ehrlose Person, nicht besser als ein Sträfling, und müsste stehlen, um zu überleben. Oder sich sogar der Prostitution –«  
    »Hört auf!« Duncan hätte sich am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst. McIntyre wusste genau, wie er es anstellen musste, um ihn gefügig zu machen. »Was wollt Ihr von mir?«  
    »Nichts weiter, als dass du meiner Aussage zustimmst.«  
    Duncan hörte wortlos zu, als der Doktor ihm erklärte, was er von ihm erwartete.  
    »Ich soll also für Euch lügen.« Es war eine Feststellung, keine Frage.  
    »Wenn du es so nennen willst.«  
    »In der Bibel steht, du sollst kein falsches Zeugnis ablegen«, sagte Duncan leise.  
    »Steht in der Bibel nicht auch, du sollst nicht ehebrechen?«, gab McIntyre scharf zurück. »Ich denke, das gilt auch für Papisten.«  
    Duncan schwieg. Dann schaute er auf. »Ich hatte Euch einmal für einen guten Menschen gehalten.«  
    »Urteile nicht vorschnell über mich. Dieses kleine Arrangement hätte nämlich auch für dich seine Vorteile. Es würde, ganz wörtlich, deinen Hals aus der Schlinge ziehen. Es gäbe keine Anklage wegen Diebstahls, denn ich werde nicht erwähnen, dass du den Karren und das Pferd gestohlen hast. Ich denke, wir haben uns verstanden.« McIntyre trat zur Tür und klopfte zweimal. »Wärter? Ich bin fertig.«  
    Duncan sah ihm noch immer nach, als sich die schwere Tür längst wieder geschlossen hatte.  
    *  
    Das Gericht von Parramatta tagte in einem einfachen, aus Holz und Stein errichteten Gebäude. Vor fünf Monaten, als Oberaufseher Holligans Angriff auf sie verhandelt worden war, war Moira schon einmal hier gewesen. Damals hatte sie für Duncan ausgesagt. Und diesmal ging es erneut um ihn. Moira kam sich vor, als hätte man ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt.  
    McIntyre hatte ihr vor der Abreise etwas Laudanum gegeben, und jetzt nahm sie alles wie durch einen leichten Schleier wahr. Sie fühlte sich noch immer schwach und leicht fiebrig, aber McIntyre hatte gemeint, für ihre Aussage würde es reichen.  
    Die vielen Menschen auf der Straße, all die Gerüche und Geräusche – marschierende Rotröcke, rumpelnde Bierkarren, flanierende Passanten – erdrückten sie

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