Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
Version der Geschichte. Dafür haftete ihm jetzt der Makel an, seine Medikamente zu nachlässig zu verwahren und damit ein furchtbares Unglück heraufbeschworen zu haben. Sein guter Ruf war dahin.  
    Und nun spielte das Schicksal erneut sein Spiel mit ihm. Hatte er nicht etwas ganz Ähnliches ansehen müssen wie Victoria damals? Aber er war nicht Victoria. Und so einfach ließ sich ein Dr. Alistair McIntyre keine Hörner aufsetzen. Er würde sich nicht zum Gespött der Leute machen lassen, indem es hieß, seine Frau sei mit einem Sträfling durchgebrannt. Zum Glück wussten nur vier Menschen davon: er selbst, Moira, O’Sullivan und Ann. Und die gute Ann war ihm treu ergeben. Sie war es gewesen, die ins Kutschenhaus gekommen war und ihn befreit hatte, keine fünf Minuten, nachdem die beiden Ehebrecher ihn dort gefesselt und geknebelt zurückgelassen hatten.  
    Und dafür würden sie büßen. Alle beide.  
    *  
    Die Welt war eine Flasche, angefüllt mit Qual. Moira schwebte haltlos darin umher, Wogen von Schmerz flossen über sie, durch sie hindurch wie die Gezeiten eines fremden Meeres. Dahinter Stimmen, undeutlich, wie durch Glas.  
    Schlaf.  
    »Nicht aufgeben, Moira. Wir sind bald da!« Diese eine Stimme war anders. Klarer. Oder existierte sie nur in ihrer Erinnerung?  
    Duncan …?  
    Der Geruch des Pferdeleibs, auf dem sie lag. Ein sanftes Schaukeln, weiches Fell unter ihrer Wange. Wasser auf ihrer Haut.  
    Kälte. Hunger. Duncan. »Ich bringe dich zurück.«  
    Das entsetzliche Gefühl von Verlust. Sie hatte etwas verloren. Aber was? Wann immer sie den Gedanken zu erhaschen versuchte, entglitt er ihr.  
    Schlaf.  
    Hitze, die sie von innen heraus zu verbrennen schien. Durst. Schmerzen.  
    »Geht es ihr besser?«  
    Eine lange Pause. Oder war sie wieder eingeschlafen?  
    »Etwas.«  
    Schlaf.  
    Gemurmelte Stimmen. Eine weibliche. Ängstlich, fast panisch. Eine männliche, erst beruhigend, dann zunehmend ungehalten. Ein Schrei, erst leise, wie weit entfernt, dann anschwellend, bis er sich zu einem schrillen Kreischen steigerte, um plötzlich wimmernd abzubrechen. Der Schrei einer Frau. Ann?  
    Schlaf.  
    Hände, die sie anfassten, die sie wuschen, die sie abtrockneten.  
    Wieder Schlaf.  
    *  
    »Sir! Sir, sie wacht auf!«  
    Ein Becherrand berührte ihre Lippen. »Ma’am, trinkt das, das wird Euch guttun.« Sie schluckte, erst mühsam, dann immer leichter. Es war warm und schmeckte nach Brühe.  
    »Ich habe geträumt …« Schwerfällig kamen ihr die Worte über die Lippen. Mit geschlossenen Augen versuchte sie dem Traum nachzuspüren. »Ich träumte, ich hätte ein Kind … verloren. Und ich wäre zurück in … Toongabbie.«  
    »Das war kein Traum, Ma’am.« Sie kannte die leise Stimme neben ihr, auch wenn sie sich leicht verwaschen anhörte.  
    Als sie langsam die Augen öffnete, blendete sie helles Licht. Sie blinzelte, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Neben ihr stand Ann, eine Suppentasse in der Hand. Ihre rechte Gesichtshälfte war geschwollen. Vage erinnerte Moira sich an einen Schrei. Vom Zahnziehen?  
    »Kein Traum?«, murmelte sie benommen. Ihr Blick fiel auf eine weiß getünchte Wand, eine Tür. Sie war in ihrer Schlafkammer, in ihrem Ehebett.  
    Ein Schatten betrat den Raum. »Geh! Lass uns allein!«  
    McIntyre. Moira fröstelte. Noch begriff sie nur schemenhaft, was geschehen war. Doch dann, plötzlich, war alles wieder da. Die Flucht. Die Entbehrungen. Die Fehlgeburt. Eine kalte Hand griff nach ihrem Herz.  
    McIntyre blieb neben dem Bett stehen. Mit zwei Fingern rieb er sich die Augen, die tief in den Höhlen lagen, dann setzte er seine Brille auf.  
    »Schmerzen?« Er schlug die Decke zurück.  
    »Ein wenig«, flüsterte Moira. Ihr war kalt, jetzt, da die warme Decke fort war. Ihre Brustwarzen zogen sich zusammen, Gänsehaut lief über ihren Körper, als McIntyre begann, ihren Unterleib durch das Nachthemd hindurch abzutasten.  
    »Du hattest einen abortus incompletus . Es sind Teile der placenta im uterus zurückgeblieben, die die Blutung verursacht haben. Ich habe eine abrasio durchgeführt. Damit ist die Gefahr einer weiteren Blutung gebannt. Allerdings ist unsicher, ob du weitere Kinder bekommen kannst.«  
    Moira schluckte. Sein sachlich-kalter Tonfall mit den vielen unverständlichen Ausdrücken verunsicherte sie mehr, als wenn er sie angeschrien hätte. Und was hatte er da von Kindern gesagt?  
    Endlich deckte er sie

Weitere Kostenlose Bücher