Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
schloss, wurde Duncan klar, dass er zum letzten Mal für lange Zeit die Freiheit geschmeckt hatte.  

15.  
     
    Nach der Erschöpfung war das Fieber gekommen, heftig wie ein Gewittersturm. Moiras Haut glühte, ihre Lippen waren trocken und aufgesprungen. Kleine Schweißtropfen glitzerten auf Stirn und Oberlippe, ihre Brust hob und senkte sich hastig. Alistair saß neben dem Ehebett und betrachtete die Frau, mit der er nun seit über einem Jahr verheiratet war. Unter der Decke zeichneten sich die Konturen ihres Körpers ab – die schmalen Hüften, die kleinen Brüste. In den vergangenen Stunden war er kaum von ihrer Seite gewichen, allerdings weniger aus Sorge oder Liebe, sondern weil er nicht wusste, wohin mit seiner Wut. Und weil ihr Zustand so kritisch war, dass sie jederzeit ärztliche Hilfe benötigen konnte.  
    Sie hatte ein Kind verloren. Wessen Kind? Wohl kaum seines, so lange, wie sie schon nicht mehr unter ihm gelegen hatte. Er hatte bereits vor Monaten die Hoffnung auf einen Nachkommen aufgegeben – und damit auch die wenig befriedigende Tätigkeit des körperlichen Aktes. Wie lange war sie schon in anderen Umständen gewesen? Er hatte keine Anzeichen einer Schwangerschaft bei ihr bemerkt, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Frauen sah man mitunter lange nichts an, und es war eine ganze Weile her, seit er seine Frau unbekleidet gesehen hatte. Eigentlich noch nie, wenn er es recht bedachte.  
    Konnte es an ihm liegen? Konnte er derjenige sein, dessen Same zu schwach war, um ein Kind zu zeugen? Dieser Gedanke gesellte sich zu den anderen, die ihn seit Tagen quälten. Die Platzwunde an seinem Hinterkopf begann wieder zu pochen und rief ihm erneut jenen unsäglichen Moment ins Gedächtnis, als seine Welt zusammengebrochen war. Was er auf dem Heuboden gesehen hatte, bevor er von der Leiter fiel, war so unglaublich, so unfassbar gewesen, dass er einige Augenblicke gebraucht hatte, um die ganze Tragweite zu begreifen. Aber es war tatsächlich Moira, die dort oben im Heu gelegen hatte, den Rock bis über die Hüften hinaufgeschoben, O’Sullivans Kopf zwischen ihren entblößten Schenkeln.  
    Wie lange ging das schon mit den beiden? Wie lange betrogen sie ihn schon? Und wieso hatte er nie etwas davon bemerkt? Weil er blind gewesen war, gab er sich selbst die harte Antwort. Und weil er in seiner Vernarrtheit in O’Sullivan die Wahrheit nicht hatte sehen wollen.  
    Der junge Sträfling hatte ihn bitter enttäuscht, und das, nachdem er so große Stücke auf ihn gehalten hatte. Sobald Moira vernehmungsfähig wäre, würde man O’Sullivan verurteilen und dann angemessen bestrafen. Doch selbst jetzt, nach all dem, was sein Gehilfe ihm angetan hatte, regte sich Verlangen in Alistairs Lenden. Angewidert von sich selbst ballte er die Fäuste.  
    Seit jeher hatte er seine Schwäche für junge hübsche Männer verdammt. Aber nie hatte er sich erlaubt, dieser schändlichen Neigung nachzugeben. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte man ihn bei sodomitischen Umtrieben erwischt: Gefängnis, hohe Geldstrafen, Pranger oder sogar die Hinrichtung. Ganz zu schweigen davon, dass sein Ruf als angesehener Arzt, den er sich nach dem Studium aufgebaut hatte, vollkommen ruiniert gewesen wäre. Und so hatte er ein unauffälliges Leben geführt, hatte tagsüber Patienten in seiner Praxis empfangen und war abends manchmal in den Club gegangen. Aber meist war er zu Hause geblieben und hatte sich der Korrespondenz und seinen medizinischen Zeitschriften gewidmet.  
    Lange hatte er nicht die Notwendigkeit einer Vermählung gesehen. Erst als sein kinderloser Onkel überraschend starb und nichts von ihm blieb als ein Name auf einem Grabstein, kam Alistair ins Grübeln über sein eigenes Leben. Er wollte einen Erben. Einen Sohn, der sein Lebenswerk weiterführen würde. Schnell fand sich sogar eine heiratswillige Kandidatin: Victoria, die Schwester eines Bekannten aus dem Club, eine ehemalige Gouvernante von freundlicher, zurückhaltender Erscheinung.  
    Zu seiner großen Erleichterung gefiel Alistair das Leben als Ehemann. Frauen erregten ihn zwar nicht, aber er war durchaus in der Lage, geschlechtlich mit ihnen zu verkehren. Und so vollzog er die ehelichen Pflichten zwar ohne Leidenschaft, doch mit Ausdauer. So lange, bis er feststellen musste, dass seine Bemühungen keinen Erfolg hatten. Nach Victorias erster großer Enttäuschung, dass sie offenbar zu alt für die Mutterschaft war, fügte sie sich in die Umstände und

Weitere Kostenlose Bücher