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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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nicht geduldet.«  
    Moira wusste, was er meinte. Noch vor wenigen Jahrzehnten, so hatte Mr Curran, der mit ihrem Vater befreundete Anwalt, ihr einmal erzählt, zwang man schweigende Angeklagte mit drakonischen Mitteln zur Aussage. Man ließ sie nackt niederliegen und beschwerte ihren Körper mit Gewichten, so lange, bis sie sich schuldig oder nicht schuldig bekannten – oder starben.  
    »Nun, Mrs McIntyre?«  
    Moira blickte erneut zu Duncan, dann zu McIntyre. Alles erschien ihr plötzlich unwirklich. Der Raum, die Menschen, Mr Zuckerman neben ihr mit seiner viel zu großen Perücke, die ihm ständig nach vorne rutschte. Schwindel überkam sie, dennoch bemühte sie sich um eine feste Stimme. »Ich erinnere mich nicht mehr.«  
    Zuckerman hob eine Augenbraue. »Ihr erinnert Euch nicht? Ihr erinnert Euch nicht, dass dieser Mann Euch entführt hat?«  
    Moira schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie so bestimmt, wie es ihr möglich war.  
    »Ich darf Euch darauf hinweisen, Mrs McIntyre, dass Ihr Euch auch ohne Meineid strafbar macht, wenn man Euch der Lüge überführt.«  
    »Ich lüge nicht!« Wahrscheinlich sah man ihr den Schwindel an der Nasenspitze an. »Ich sagte, ich kann mich nicht erinnern!«  
    Jetzt wirkte Zuckerman doch etwas ratlos. Er wechselte ein paar Worte mit seinen Beisitzern, dann wandte er sich wieder an Moira. »Nun, ich habe erhebliche Zweifel an dieser Aussage. So bleibt mir nichts anderes, als mich ausschließlich auf die Aussage Eures Gemahls zu berufen. Ihr seid entlassen.«  
    Das war alles? Moira stand auf, blieb aber vor dem Stuhl stehen. »Darf ich noch etwas sagen, Mr – Euer Ehren?«  
    Ihr Herz klopfte so heftig, dass es in ihren Ohren dröhnte. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Duncan den Kopf hob. »Euer Ehren, ich … möchte ein gutes Wort für den Angeklagten einlegen. In der Zeit, die er bei uns war, hat er … hat er sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Mein Mann kann das bestätigen.«  
    Es konnte helfen, wenn jemand den rechtschaffenen Charakter eines Angeklagten herausstellte. Auch das hatte ihr Mr Curran erzählt. Wenn man schon nicht seine Unschuld beweisen konnte, so vermochte ein guter Ruf oft das Strafmaß zu senken. Und Duncan hatte sonst niemanden, der für ihn sprach. Nicht einmal einen Verteidiger, aber das war eher die Regel als die Ausnahme.  
    Zuckerman sah sie mit stechendem Blick an. »Setzt Euch noch einmal, Mrs McIntyre.« Im Raum war es plötzlich totenstill. »Habe ich das richtig verstanden? Ihr bittet um Gnade für jemanden, der Euch bedroht und entführt hat? Für einen Sträfling? Wie erklärt Ihr mir das?«  
    »Ich …« Sie suchte verzweifelt nach einer Begründung. Auf einmal erinnerte sie sich, wie sie zusammen mit Duncan in der Küche über der Bibel gesessen hatte, und an seine Worte, dass er niemanden hassen würde. »Mit Vergebung«, sagte sie, bevor sie es sich anders überlegen konnte. »Eine der höchsten christlichen Tugenden. Soll man seinen Feinden nicht vergeben?«  
    »Wir sind nicht hier, um zu vergeben, sondern um Recht zu sprechen.« Zuckerman schob sich die Perücke zurecht, die bedenklich zur Seite gerutscht war. »Wenn er Vergebung will, soll er sich an den Reverend halten. Aber nein, der ist ja nicht für ihn zuständig. Die Papisten haben ja ihre eigenen Pfaffen.«  
    Vereinzeltes Lachen ertönte aus den Zuschauerreihen. Selbst über Zuckermans verkniffenes Gesicht huschte ein kurzes Grinsen. Es ließ ihn aussehen wie einen böswilligen Kobold.  
    Moira griff nach dem letzten Strohhalm. »Aber … er hat mir das Leben gerettet!«  
    »Inwiefern?«  
    »Euer Ehren, bitte«, ließ sich jetzt McIntyre vernehmen. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl in der ersten Reihe herum, dann stand er auf. »Meine Frau ist erschöpft. Sie weiß nicht, was sie sagt. Sie war sehr krank.«  
    »Dr. McIntyre, Ihr habt Eure Aussage bereits gemacht«, wies ihn Zuckerman zurecht. Moira konnte ihm geradezu ansehen, wie er seine Macht genoss.  
    »Aber er hat recht«, griff sie das Argument schnell auf. »Der … der Angeklagte hat mich vor dem sicheren Tod gerettet und mich den ganzen Weg zurück nach Hause gebracht.«  
    »Interessant.« Zuckerman beugte sich vor. »Woher wisst Ihr das, wenn Ihr Euch doch nicht erinnern könnt?« Er mochte nur Laienrichter sein, aber ihm entging nichts.  
    »Man … mein Mann hat es mir erzählt.«  
    »Oder ist es Euch plötzlich wieder eingefallen? Möchtet Ihr dem Gericht

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