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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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schenken, den er sich so sehnlich wünschte, auch wenn er sie vergangene Nacht hatte schlagen müssen, damit sie sich auf ihre Pflichten besann. Heute Morgen dann war sie unerwartet verträglich gewesen. Hatte sie endlich eingesehen, dass es besser war, sich zu fügen? So schnell durfte er ihr nicht trauen. Schließlich, davon war er inzwischen überzeugt, war das alles ihre Schuld gewesen. Hätte sie nicht O’Sullivan verführt, wäre alles noch wie früher. Das würde er ihr nie vergeben können.  
    Alistair drehte sich um. Hinter den Stuhlreihen drängte sich stehend das einfache Volk sowie etliche Hausangestellte und Stallburschen, denn die papistischen Sträflinge, die nicht in Ketten waren, mussten ebenfalls den Gottesdienst der Kirche von England besuchen. Alistair konnte Ann in der Menge ausmachen und viele andere vage bekannte Gesichter. Der, den er suchte, war nicht dabei.  
    Er drehte sich wieder nach vorne. In der Nacht hatte er erneut von O’Sullivan – von Duncan, wie er ihn seit der Zeit im Lazarett insgeheim nannte – geträumt. Davon, dem jungen Sträfling seine Hand auf den Ansatz des Kreuzbeins zu legen, tiefer zu gleiten, seine warme Haut, die festen Muskeln zu spüren. Wie er es ein einziges Mal im Lazarett gewagt hatte, als er sicher war, dass ihn niemand beobachtete. Er hatte seine Hand sofort zurückgezogen, als sich der Körper unter seinen Fingern in reflexhafter Abwehr angespannt hatte.  
    Alistair vermisste seinen Gehilfen. Er hatte jetzt niemanden mehr, an dem er das oculus introspectans ausprobieren konnte. Und niemanden, der ihm ein weiteres Gerät herstellen konnte. Um die Pferde und die Kutschen kümmerte sich jetzt ein anderer Sträfling, ein älterer Mann, der seine Arbeit nur lustlos versah. Wer könnte Duncan zumindest als Versuchsperson ersetzen? Ann? Der erste und bisher einzige Versuch mit ihr war ein Reinfall gewesen, und daran würde sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Moira? Ganz sicher nicht. Also irgendein anderer Sträfling. Aber es brauchte Zeit und gegenseitiges Vertrauen, eine geeignete Person zu finden und heranzuziehen. Darum würde er sich jetzt endlich kümmern müssen. Er wusste selbst nicht, wieso er diese Aufgabe schon so lange vor sich herschob. Vielleicht, weil jeder andere nur ein armseliger Ersatz wäre.  
    Als Alistair nach dem Gottesdienst aus der Kirche trat, war der Platz vor dem Gebäude bereits voller Menschen. Für ihn waren diese Treffen und Gespräche eher Pflicht als Vergnügen, aber er ließ sich sehen, schließlich versammelten sich hier die einflussreichsten Männer der Kolonie. Und seit Duncan fort war, zog es ihn auch nicht mehr so schnell wie früher zurück in sein Studierzimmer.  
    »McIntyre!« Major Penrith trat zu ihm. »Da seid Ihr ja. Ich muss mit Euch reden. Kommt, lasst uns etwas trinken.«  
    Alistair nickte zögernd und sah hinüber zu der Gruppe von Frauen, mit denen Moira zusammenstand. Munteres Geplapper und Lachen war zu hören. Der Major folgte seinem Blick.  
    »William kann Eure Frau nachher mitnehmen nach Toongabbie. Sie wird Euch schon nicht weglaufen.« Er verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. »Zumindest nicht sofort.«  
    »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Alistair steif.  
    »Genau darüber wollte ich mit Euch reden. Kommt mit, ins Freemason’s. «  
    Zu dieser frühen Stunde war der einfache Gasthof bis auf einen einsamen Zecher, der über seinem Bier eingeschlafen war, leer. »Wie entwickeln sich Eure Forschungen?«, fragte der Major, als sie in einer Ecke Platz genommen hatten und jeder einen Zinnbecher mit Bier vor sich stehen hatte. Alistair hatte den Alkohol ablehnen wollen, aber der Major war über seinen Einwand hinweggegangen, als hätte er ihn nicht gehört.  
    »Langsam«, antwortete er ausweichend und nippte an dem bitteren Gebräu. Er verspürte wenig Lust, mit dem Major ausgerechnet über die Fehlschläge der vergangenen Zeit zu reden, und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. »Was ist mit Euch? Was macht die Gesundheit?«  
    Der Major sah ihn aus wachsam zusammengekniffenen Augen an. »Es könnte nicht besser gehen«, sagte er scharf. »Und falls das eine Anspielung auf meine kleine Unpässlichkeit bei Dr. Wentworth sein sollte, dann lasst Euch gesagt sein, dass schon Cäsar und Alexander der Große an der ›Heiligen Krankheit‹ litten. Ich befinde mich also in bester Gesellschaft.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Becher, dann lehnte er sich

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