Das Lied der roten Erde (German Edition)
nichts zu sagen?«
»Ich war das nicht«, murmelte Duncan, obwohl er wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich zu verteidigen. Er schaute hinüber zu Sergeant Penrith, der ihm schon einmal freundlich gesonnen gewesen war. Aber der Sergeant blickte nur ernst und schüttelte den Kopf.
»Das ist Betrug!«, schrie Samuel auf und wollte sich auf den Major stürzen. »Ich stopfe dir dein scheinheiliges Maul!« Die Hiebe dreier Schlagstöcke ließen ihn zu Boden gehen.
Der Major, der zwei Schritte zurückgewichen war, winkte beiläufig mit der Reitgerte. »Nehmt sie fest. Alle beide.«
*
Regen strömte ohne Unterlass, der Wagen mit dem käfigähnlichen Aufsatz kam auf dem schlammigen Weg nur langsam voran. Duncan spürte geradezu körperlich, wie sich die Räder durch den Matsch quälten. Samuel saß ihm gegenüber, genau wie er mit schweren Ketten um Hände und Füße, schwankend mit den Bewegungen des Wagens. Der Hüne sagte kein Wort und starrte nur dumpf brütend vor sich hin. Seine roten Haare waren triefend nass, Regenwasser lief ihm über das Gesicht. Ein Fußmarsch wäre für alle leichter gewesen, aber offenbar wollte man sichergehen, dass sie keine Gelegenheit zur Flucht nutzen konnten. Das war schon auf dem Weg nach Parramatta so gewesen, und jetzt, beim Rückweg nach Toongabbie, verfuhr man genauso.
Die Verhandlung war eine Farce gewesen, ihre Schuld hatte von vorneherein festgestanden. Als Zeugen waren Aufseher Farelly und die Brüder Penrith erschienen. Alle hatten den Fund des Falschgelds bestätigt. Auch der Doktor war geladen gewesen. McIntyre hatte Duncan nicht in die Augen sehen können, als er dem Richter bestätigte, er könne sich durchaus vorstellen, dass sein ehemaliger Gehilfe sich der Falschmünzerei schuldig gemacht habe. Schließlich habe er schon immer ein Händchen für Metall besessen. Ganz abgesehen davon, dass er vor kurzem seine Frau entführt habe. Mehr hatte es nicht gebraucht, um sie beide zu verurteilen.
Duncan war klar, dass der Major seine Hand im Spiel hatte. Ob es Zufall gewesen war oder Absicht, den Beutel mit Falschgeld zum Teil bei Samuel zu platzieren, würde er wohl nie erfahren. Zumindest konnte man so auf einen Schlag zwei Unruhestifter loswerden.
»Ich gehe nicht nach Norfolk!«, stieß Samuel jetzt hervor.
Duncan hatte ihn noch nie so verzweifelt erlebt. Man hatte sie zwar nicht zum Tode verurteilt, wie es manchen Falschmünzern geschah, aber das Urteil war nicht weniger hart. Zweihundert Peitschenhiebe für jeden von ihnen, anschließend Verbannung nach Norfolk Island. Für den Rest ihres Lebens. Genau wie Samuel war Duncan jetzt ein Lebenslänglicher.
Moira war nicht im Gericht gewesen. Ob sie überhaupt wusste, was mit ihm geschah? Eine dumpfe, nagende Furcht machte sich in seinen Eingeweiden breit. Oft schon hatte er von den Schikanen und Martern gehört, denen die Sträflinge auf der Teufelsinsel ausgesetzt waren. Und als wäre das nicht genug, würde demnächst auch noch der Major dort das Kommando übernehmen. Der Mann würde ihm das Leben zweifellos zur Hölle machen.
»Jetzt gibt es nur noch einen Weg«, murmelte Samuel auf einmal, so leise, dass es in dem Geräusch des prasselnden Regens fast unterging.
Duncan blickte auf. Jede Bewegung schien bleischwer zu sein, er war entsetzlich müde. »Welchen?«
Samuel verzog das Gesicht zu einem grimmigen Grinsen. »Den allerletzten.«
Duncan sah ihn schweigend an, dann schüttelte er den Kopf. Regen lief ihm in die Augen und in den Nacken. »Ich werde nicht mein ewiges Seelenheil aufgeben, indem ich mich umbringe.«
»Das sollst du auch gar nicht. Es gibt eine andere Möglichkeit.«
In Duncan keimte eine Ahnung. »Sprich weiter«, sagte er langsam.
»Ich bringe dich um. Dann werden sie mich hängen.«
Duncan schluckte schwer. Was Samuel vorschlug, war grausam, aber von bestechender Logik. Nur so konnten sie der Todsünde des Selbstmords, mit der sie ihre unsterblichen Seelen der ewigen Verdammnis aussetzten, entgehen. »Es ist dir wirklich ernst damit?«
»Es ist mir noch nie so ernst gewesen.«
Duncans Blick ging an dem gefesselten Hünen vorbei durch die Gitterstäbe in den Himmel. Ein bleigrauer Himmel mit tiefhängenden Wolken, aus denen endlos das Wasser strömte. »Denn siehe, ich will eine Sintflut kommen lassen auf Erden.« Noch nie waren ihm die unterschiedlichen Grautöne der Wolken so schön vorgekommen. Oder der regenschwere Busch
Weitere Kostenlose Bücher