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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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rechts und links des Weges. Sein Blick kehrte zurück auf die Eisenketten um seine Hand- und Fußgelenke, auf die aufgeschürfte und entzündete Haut darunter. Diese Fesseln würde er wohl nie wieder loswerden.  
    Sein Leben war vorbei. Er würde Moira nie wiedersehen. Sie nie wieder ansehen, sprechen, sie berühren oder küssen dürfen. Nie wieder ihren Duft einatmen können. Vor ihm lag eine endlose Zeit voller Schrecken, Hunger, Schmerzen und Demütigungen. Ein Leben, schlimmer als der Tod.  
    Er sah Samuel an. Eine Faust schien sich um sein Herz zu legen. »Wie … würdest du es machen?«  
    »Ich breche dir das Genick. Es wird ganz schnell gehen. Glaube ich.« Samuel blickte auf seine Hände, er schluckte. »Ich … ich habe noch nie einen Menschen getötet. Aber in diesem Fall würde ich es tun.« Seine Lippen waren vollkommen farblos.  
    Duncan spürte, wie sich der Druck in seiner Brust löste. »Jetzt gleich?«, fragte er eigenartig ruhig. Es schien ihm, als säße ein anderer an seiner Stelle.  
    Samuel nickte. Duncan glaubte, Tränen in den Augen des anderen zu sehen. »Ja«, flüsterte er. »Sonst gibt es keine Möglichkeit. In Toongabbie wird man uns trennen, und wir sind bald da.«  
    Samuels Fesseln klirrten, als er schwerfällig neben ihn rutschte. Duncan konnte ihn riechen, den scharfen Geruch der Angst. Es gab jetzt nur noch sie beide, den Himmel und den Regen. Sein Herz schlug erstaunlich langsam, aber kraftvoll. Als wollte es sich ein letztes Mal von der eigenen Lebenskraft überzeugen.  
    Samuel hob die gefesselten Hände. Sie zitterten ein wenig, die Kettenglieder schabten leise klirrend aneinander. »Ich bin bereit«, flüsterte er, kaum verständlich durch den rauschenden Regen. »Du auch?«  

19.  
     
    Die Teetasse fiel zu Boden und zersprang auf den Dielen in zwei Teile.  
    »Nach Norfolk Island?« Moira spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich, das Entsetzen floss eiskalt durch ihre Adern. »Sagt, dass das nicht wahr ist!«  
    McIntyre stand am Fenster und blickte auf Moira hinunter, die am Tisch saß. »Wieso sollte ich dich anlügen?« Missbilligend musterte er das zerbrochene Teegeschirr und die Lache auf dem Boden. »Ann!«  
    Das Mädchen hatte wohl hinter der Tür gewartet, so schnell kam es in die Wohnstube.  
    »Ann, mach das weg. Und dann bring Mrs McIntyre zurück in die Schlafkammer. Sie fühlt sich nicht wohl.«  
    Wie betäubt sah Moira zu, wie Ann die Scherben einsammelte, die kleine Teepfütze mit einem Lappen aufwischte und alles hinaustrug. Sie schüttelte den Kopf, als Ann zurückkam und neben sie trat. »Es geht mir gut.«  
    Sie wartete, bis Ann verschwunden war. »Wieso?«, fragte sie schwach. »Was hat er denn getan?«  
    McIntyre blickte sie nicht an. »Bei ihm und einem anderen wurde Falschgeld gefunden. In Gegenwart mehrerer Zeugen.«  
    »Falschgeld?« Das Blut rauschte in ihren Ohren. »Wer? Wer hat das Falschgeld gefunden?«  
    »Ein Aufseher, soweit ich weiß. Und Major Penrith.«  
    »Major Penrith!« Sie hätte es sich denken können. Mit einem Ruck schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf. »Und das glaubt Ihr?«  
    »Darum geht es nicht. Das Urteil ist gesprochen. Ich kann nichts mehr für ihn tun.«  
    In Moiras Kopf rasten die Gedanken. Mit Wentworth konnte sie diesmal nicht rechnen, er war für einige Tage verreist. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. Und wenn sie tatsächlich McIntyre bat …?  
    »Doch, das könnt Ihr!« Sie trat zu ihm. »Ihr … Ihr müsst zum Gouverneur gehen und um Gnade für Duncan bitten. Ihr wart doch immer zufrieden mit ihm … Bitte, um dieser Zeiten willen – wenn Ihr ein gutes Wort für ihn einlegt, wird der Gouverneur auf Euch hören!«  
    McIntyre antwortete nicht, sah nur düster vor sich hin.  
    »Bitte!« Sie war kurz davor, vor ihm auf die Knie zu fallen. Wenn es sein musste, würde sie sogar das tun.  
    »Bitte, A… Alistair!« Sein Vorname klang unerhört fremd aus ihrem Mund. »Das … das könnt Ihr doch auch nicht wollen! Ich tue alles, was Ihr verlangt, aber bitte – geht zum Gouverneur und fleht um Gnade! Ihr dürft nicht zulassen, dass man Duncan auf die Teufelsinsel schickt!« Und dann tat sie es tatsächlich. Sie sank vor ihm auf die Knie. So sehr hatte sie sich noch nie erniedrigt. »Wenn Ihr ein Herz habt, dann … dann müsst Ihr das verhindern!«  
    McIntyre stand steif vor ihr, sein Blick war verschlossen. Kurz ballte er die Hände, dann

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