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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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also die Frau des Gouverneurs. Dann sagt mir, Anna Josepha King: Wo ist Euer Mann?«  
    »Ich weiß es nicht«, gab Mrs King zurück. Eine Ader an ihrem schlanken Hals pochte. Hatte sie vorhin nicht gesagt, ihr Mann sei zum Hawkesbury aufgebrochen? »Er pflegt mir nicht –«  
    »Lügt mich nicht an!«, brüllte Hudson. Mrs King zuckte zusammen.  
    »Der Gouverneur ist in Sydney«, behauptete Moira schnell. Den Sträflingen eine falsche Auskunft zu geben war allemal besser als unnützer Heldenmut.  
    »In Sydney?« Hudson sah sie zweifelnd an.  
    »Ja«, griff Mrs King Moiras Vorlage auf. »In der George Street. Er … Wir werden dort demnächst ein Waisenhaus eröffnen.«  
    »Na also«, triumphierte Hudson. »Warum denn nicht gleich?«  
    Der Schrei eines kleinen Kindes ertönte.  
    »Elizabeth!« Mrs King fuhr herum und wollte aus dem Raum stürzen.  
    Hudson hielt sie auf. »Nicht so schnell, mein Täubchen!«  
    Moira überlegte blitzschnell. Eine der Türen war frei. Eine bessere Gelegenheit würde kein zweites Mal auftauchen. Sie griff nach der abgeräumten Etagere, holte aus und schlug das metallene Gestell dem nächststehenden Sträfling, der sich gerade den letzten Bissen eines Sandwiches in den Mund stopfte, auf den Kopf. Es war kein fester Schlag, aber die Verwirrung reichte aus. Sie rannte die wenigen Schritte zur Tür, drückte die Klinke und stürzte hinaus auf den Flur. Auch hier waren überall Sträflinge, der Weg nach draußen war nicht möglich. Gehetzt blickte sie sich um und sah die ersten Verfolger aus der Tür des Salons stürmen. Sie rannte weiter ins Hausinnere, wo eine Treppe hinauf in den ersten Stock führte. Dort oben sah sie weitere Männer. Ein kleines Mädchen von drei oder vier Jahren, bei dem es sich wahrscheinlich um Elizabeth handelte, hielt sich mit beiden Händen am Treppengeländer fest und schrie. Ein hagerer Sträfling versuchte, ihre Finger vom Geländer zu lösen. Neben ihnen stand ein schluchzendes Kindermädchen, wie erstarrt vor Schreck. Dort hinauf konnte sie also nicht.  
    Moira wollte sich wieder umdrehen, als sie mit jemandem zusammenprallte. Zwei Arme packten sie und hielten sie fest. Nein! Heißer Schreck jagte durch ihre Adern. Sie wehrte sich, bis sie urplötzlich jede Gegenwehr fahren ließ und vor Freude und Überraschung aufkeuchte. Aber schon legte sich eine Hand über ihren Mund. Der andere Arm zog sie so eng an sich, dass sie sich kaum bewegen konnte.  
    »Spiel mit!«, hörte sie die geliebte Stimme an ihrem Ohr. »Zu deiner eigenen Sicherheit!«  
    Jetzt schlug ihr Herz schneller vor lauter Glück. Duncan war hier! Sie war so erleichtert, dass es ihr kaum gelingen wollte, sich wie eine verschüchterte Geisel zu verhalten. Aber er hatte recht; niemand durfte wissen, was zwischen ihnen war. Sie senkte den Blick, um sich nicht zu verraten, und wand sich in schwacher Gegenwehr in seinem Griff. Auch Duncan trug keine Fußfesseln mehr. Mit der rechten Hand umklammerte er ihr Handgelenk, seine Linke lag über ihrem Mund; seine Finger fühlten sich fast wie eine Liebkosung an.  
    »Ah, du hast sie!« Hudson tauchte neben ihnen auf. »Das kleine Biest wollte abhauen!«  
    Sie konnte Duncans Körperwärme und seinen raschen Herzschlag spüren. War er gerannt? Seine Kleidung war feucht wie die ihre, seine nassen Haarsträhnen kitzelten sie am Hals. Aus dem Augenwinkel konnte sie sein Handgelenk sehen; es war mit getrocknetem Blut verkrustet. Jetzt drehte er ihren Kopf leicht, bis ihr Blick auf den Hünen fiel, Fitzgerald. War auch er auf ihrer Seite? Neben ihnen hielt Hudson Mrs King fest.  
    Auch am Fuß der Treppe wimmelte es nun von Sträflingen. Sie hörte Mrs King aufschreien und folgte ihrem Blick. Der Atem stockte ihr: Der hagere Sträfling ließ die kleine Elizabeth kopfüber über das Geländer hängen!  
    »Lass den Blödsinn, Watkins, dafür haben wir keine Zeit!«, blaffte Hudson ihn an.  
    Grinsend stellte Watkins das Kind wieder auf die Füße; die Kleine flüchtete sich weinend in die Arme ihres Kindermädchens. Moira wollte etwas sagen, aber Duncans Hand auf ihrem Mund verhinderte jede artikulierte Äußerung. Langsam konnte er wirklich seine Hand fortnehmen! Sie schüttelte den Kopf, und als das nicht half, öffnete sie den Mund und biss kräftig in seinen Zeigefinger. Er schmeckte nach Schweiß, Erde und Blut.  
    »Au!« Mit einem Schmerzenslaut zog er seine Hand zurück. Moira musste sich für einen Moment das Lachen

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