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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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verkneifen.  
    Unter den Sträflingen entstand Unruhe, als sich herumsprach, dass der Gouverneur nicht anwesend war.  
    Hudson ergriff das Wort. »Wie heißt es so schön? Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg gehen. Los, Leute, wir gehen nach Sydney. Dann nehmen wir den Gouverneur eben dort als Geisel und zwingen ihn, uns freizulassen und ein Schiff zu geben.«  
    Die meisten stimmten zu. Nur einige wenige murrten und meinten, sie seien für heute genug gelaufen.  
    »Was machen wir mit den Frauen?« Ein breitschultriger Mann deutete auf Moira und Mrs King.  
    »Wir könnten sie mitnehmen. Als Geiseln«, warf ein anderer ein.  
    »Blödsinn, Frauen machen nur Ärger«, gab Hudson zurück. »Am besten, wir bringen sie um.« Moira erstarrte, als er wie zur Unterstreichung die Sichel hob.  
    Duncan verstärkte den Druck auf ihr Handgelenk. »Wer hat dich eigentlich zum Anführer bestimmt, Hudson?« Er zog Moira ein Stück zur Seite. »Die Frauen bleiben hier, sie würden uns nur behindern. Wir werden sie irgendwo im Haus einsperren. Wenn ihr sie umbringt, droht uns der Galgen. Deinetwegen riskiere ich doch nicht meinen Hals.«  
    Beifälliges Gemurmel folgte dieser Aussage. Moira entspannte sich ein wenig.  
    »Und wer soll auf sie aufpassen? Du vielleicht?« Hudson zog höhnisch die Augenbrauen hoch.  
    Duncan zögerte glaubhaft. »Wenn es sein muss.«  
    »Aber vorher amüsieren wir uns ein bisschen mit ihnen!«, sagte einer der Männer.  
    »Das wirst du nicht wagen!«, polterte Fitzgerald. »Wenn du auch nur eine Hand an die Ladys legst, breche ich dir den Hals!«  
    »Da haben wir ja zwei echte Gentlemen«, spottete Hudson unter dem Gelächter der anderen. »Dann würde ich vorschlagen, dass du den Damen ebenfalls Gesellschaft leistest. Wir jedenfalls gehen nach Sydney!«  
    Mit Gardinenkordel band man den Frauen die Hände auf dem Rücken zusammen, dann stieß man sie die Treppe hinauf und brachte sie in einen kleinen Eckraum im ersten Stock; offenbar das Kinderzimmer, wie Moira nach einem Blick auf das Schaukelpferd feststellte. Zu ihrer großen Erleichterung waren tatsächlich nur Duncan und Fitzgerald zu ihrer Bewachung abgestellt.  
    Duncan schloss von innen die Tür ab, dann öffnete er die Handfesseln der Frauen.  
    »Ich bitte darum, diese Unannehmlichkeit zu verzeihen«, sagte er. »Aber es –«  
    Weiter kam er nicht. Moira umarmte ihn so heftig, dass er fast umfiel. Ihr Verhalten war nicht nur unschicklich, sondern völlig unmöglich, aber das kümmerte sie nicht. Endlich war sie wieder mit Duncan zusammen. Die wilde Mischung aus Freude, Erleichterung und dem puren Glück, ihn unversehrt zu wissen und wieder mit ihm vereint zu sein, ließ ein Gefühl durch ihren Körper strömen, als wollten ihre Gelenke schmelzen. Am liebsten hätte sie ihn nie wieder losgelassen. Doch viel zu schnell löste er sich wieder von ihr. Aus dem Nebenraum waren das Klirren von Porzellan und Gejohle zu hören. Moira hatte gehofft, dass die anderen Sträflinge allesamt in Richtung Sydney aufgebrochen waren. Aber offenbar waren genug zurückgeblieben, die die Räume plünderten. Und wer wusste, was ihnen sonst noch einfallen würde.  
    Das Kindermädchen, eine junge Frau, wahrscheinlich ebenfalls ein Sträfling, saß verschüchtert auf dem Bett und drückte die kleine Elizabeth an sich.  
    »Hab keine Angst, Mary«, sagte Mrs King zu ihr. »Diese beiden … Herren sind gute Männer. Sie werden uns nichts tun.« Sie blickte auf. »Nicht wahr, Mr O’Sullivan?«  
    »Ihr kennt meinen Namen?«  
    »Ich kann eins und eins zusammenzählen.« Sie lächelte, aber es war ein angespanntes Lächeln.  
    »Ich habe ihr alles erzählt«, erklärte Moira hastig. »Ich hatte gehofft, sie würde dir helfen können.«  
    »Und Euch kenne ich sogar persönlich«, wandte sich Mrs King an den Hünen. »Samuel Fitzgerald, nicht wahr? Mein Namensgedächtnis ist recht gut.«  
    Der große Mann wurde tatsächlich rot. »Das ist richtig, Ma’am.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ihr wart sehr gut zu mir. Vor einiger Zeit habt Ihr dafür gesorgt, dass ich nicht nach Norfolk Island musste. Und das werde ich auch diesmal nicht!« Er ballte die Fäuste und blickte aus dem Fenster, wo die Gruppe der Sträflinge zu sehen war, die den Hügel hinab über die überschwemmten Grasflächen nach Osten, in Richtung Sydney, marschierte.  
    »Wieso seid Ihr nicht mit den anderen gegangen?«, fragte Mrs

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