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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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sie, auch wenn eine Dame niemals ihre Ungeduld zeigen sollte. »Könnt Ihr uns helfen?«  
    »Nun, Falschmünzerei ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Und das Urteil ist bereits gesprochen. Ich fürchte, alleine kann ich da wenig ausrichten. Aber ich will gerne meinen –«  
    Ein Geräusch wie ein Schrei ließ sie innehalten. Dann ertönten Stimmen, Rufe, Füße trampelten über Fliesen, Türen wurden zugeschlagen. Es hörte sich an, als fände im Haus ein Kampf statt.  
    »Was mag das sein?« Mrs King sprach ruhig, aber sie konnte ihre Besorgnis nicht ganz verhehlen. Sie legte ihr Sandwich zurück auf die Etagere, griff nach dem Klingelzug neben dem Fenster und läutete. Niemand kam. Moira sprang auf und eilte ans Fenster. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Gesicht vor der Scheibe auf. Sie schreckte zurück – und fuhr herum, als im nächsten Moment eine der beiden Türen zum Salon aufgerissen wurde und mehrere zerlumpte Männer hereinstürmten. Mrs King schrie auf.  
    Moira erfasste die Situation rasch. Es waren abgerissene Gestalten, ausgemergelt und schmutzig, einige mit Heugabeln oder Sicheln in den Händen. Bei manchen sah sie wunde Stellen an den Knöcheln – dort, wo bis vor kurzem wohl Fußfesseln gesessen hatten. Sträflinge! Das hier waren Sträflinge, die ihren Bewachern entkommen waren. Rasch glitt ihr Blick über die Männer. Duncan? Nein, er war nicht dabei. Kein einziger von ihnen war ihr bekannt.  
    Zu ihrem Erstaunen verspürte sie kaum Angst. In erster Linie erfüllte sie Wut. Wut, dass man sie hier in dieser heiklen Angelegenheit unterbrach.  
    Einer der Sträflinge, ein Kahlköpfiger mit einer auffallend großen Nase, blickte sich suchend im Salon um. »Wo ist der Gouverneur?«, fragte er barsch und ließ seine Hand über die Schneide einer Sichel gleiten.  
    Mrs King hatte sich nach dem ersten Schrecken wieder gefangen. Würdevoll erhob sie sich und strich ihr Kleid glatt. Nur ein leichtes Zittern der Hände verriet ihre Anspannung. »Er ist nicht hier. Und jetzt habt bitte die Güte und verlasst das Haus, oder ich lasse Euch hinauswerfen.«  
    Höhnisches Gelächter war die Antwort. »Es ist aber niemand da, der uns hinauswerfen könnte, mein Täubchen«, gab der Kahlkopf zurück, der augenscheinlich die Rolle des Anführers übernommen hatte. »Und so schnell gehen wir nicht.«  
    Moira überlegte fieberhaft. Offenbar hatten die rebellischen Sträflinge die wenigen Bediensteten des Gouverneurs überwältigt. Aber wo waren die Soldaten, die sich um die Sicherheit dieses Hauses kümmern sollten? Und gab es keine Aufseher oder Konstabler?  
    Weitere Sträflinge drängten in den Salon. Manche fläzten sich auf den entlang der Wände aufgestellten Stühlen oder räkelten sich auf der Ottomane. Schmutzige Hände griffen nach den Sandwiches, rissen an den schweren Gardinen, befingerten die Einrichtung. Die Männer hatten sicher seit Monaten kein weibliches Wesen mehr aus der Nähe gesehen. Und hier standen sie zwei Frauen gegenüber. Seit ihrem Erlebnis mit Oberaufseher Holligan wusste Moira, zu was ein Mann in der Lage war. Und hier waren viele Männer.  
    Sie spürte eine Welle der Panik in sich hochschwemmen und zwang sich, ruhig zu atmen. Unauffällig sah sie sich nach einer Waffe um. Sie würde sich nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben. Gab es hier denn nichts, was sie als Waffe verwenden konnte? Nicht einmal ein Brieföffner lag herum, und das Schüreisen des Kamins war zu weit weg.  
    Der Kahlkopf stellte sich vor Mrs King. »Euer Name?«  
    Mrs King lehnte sich so weit zurück, wie es eben ging. »Ihr habt mir den Euren noch nicht genannt.« Moira bewunderte den Mut dieser Frau. Oder war sie sich der Gefahr überhaupt nicht bewusst?  
    Der andere fletschte die gelb verfärbten Zähne zu einem hässlichen Grinsen. »Der geht Euch gar nichts an, mein Täubchen, aber da Ihr mich so nett danach fragt: Hudson. Ian Hudson.«  
    Moira holte Luft. Sie durfte keine Angst zeigen. Selbstbewusst auftreten. Sie trat neben Mrs King. »Die Dame ist Ihre Exzellenz Anna Josepha King, die Gemahlin des Gouverneurs von Neusüdwales. Und Ihr tätet besser daran, hier zu verschwinden, bevor die Soldaten und die Konstabler eintreffen!«  
    Hudson sah sie für einen Moment verblüfft an, dann brach er in lautes Lachen aus. Die anderen fielen ein. »Was haben wir denn da für ein wehrhaftes Weibchen?« Abrupt verstummte sein Lachen. Er wandte sich erneut Mrs King zu. »So, Ihr seid

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