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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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ihn an.  
    Die Schergen hielten inne und schüttelten ihre Peitschen aus. Der starke Wind wehte dem Rebellengeneral Blut und Hautfetzen ins Gesicht. Holt holte ein Tuch aus seiner Tasche und wischte sich über das Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen.  
    James Penrith trat neben den Gefangenen, schneidig wie eh und je. Als Alistair den Major das letzte Mal gesehen hatte, hatte er in der tiefen Bewusstlosigkeit, die dem Grand Mal stets folgte, bei Wentworth auf einem Kanapee gelegen. Jetzt erinnerte nichts mehr an diese Schwäche.  
    »Wirst du nun endlich reden?«, herrschte er den Gefangenen an. »Wo sind die Piken versteckt?«  
    Galwin hob den Kopf und versuchte vergebens, sich in seinen Fesseln aufzurichten. »Ich weiß es nicht«, brachte er stoßweise hervor. »Und wenn ich es wüsste, würde ich es nicht verraten. Ihr könnt mich hängen, wenn Ihr wollt. Aber aus meinem Mund werdet ihr nichts hören.«  
    Der Major trat zurück und gab Alistair ein Zeichen. Dieser befand den Sträfling nach kurzer Prüfung für fähig, die letzten hundert Schläge zu erhalten.  
    Während Galwin jetzt auf die Rückseite seiner Oberschenkel geschlagen wurde, versuchte Alistair, jedes Mitleid in sich zu ersticken. Es war gut und richtig, was hier geschah. Der in letzter Sekunde vereitelte Aufstand hätte sie alle das Leben kosten können. Ihm lief ein Schauer über den Rücken, als er sich vor Augen hielt, was gerade noch verhindert worden war. Die papistische Rebellenbrut hatte geplant, nach Parramatta zu gehen, dort Reverend Marsden zu ermorden, die Soldaten in ihren Betten zu erstechen, deren Musketen zu nehmen und dann weiter nach Sydney zu marschieren. Und was hätten sie wohl in Toongabbie mit ihm, Alistair, angestellt?  
    Sein Blick fiel auf O’Sullivan, der bei der Gruppe der Sträflinge stand und das blutige Schauspiel mit unbewegtem Gesichtsausdruck verfolgte. Ob er etwas über den Aufstand wusste? Nein, sicher nicht. Der junge Mann hatte sich in den vergangenen Wochen weiterhin als wertvoller Gehilfe erwiesen. Nicht nur, dass er sich bereitwillig für die Versuche zur Verfügung stellte, er kam sogar mit eigenen Ideen und hatte Alistair auf so manchen weiterführenden Gedanken gebracht. In solchen Momenten kam es ihm fast so vor, als wäre O’Sullivan der Sohn, den er sich immer gewünscht hatte.  
    Das größte Problem mit dem oculus introspectans , dem »hineinblickenden Auge«, wie Alistair seine Erfindung genannt hatte, war nach wie vor die Beleuchtung. Auch eine Kerzenflamme gab zu wenig Licht. Er musste das Prinzip verändern. Wenn es nicht auf direktem Weg ging, dann eben indirekt. Wie bei der camera obscura . Dafür brauchte er eine konvex geschliffene Linse, die das Licht bündeln würde. Aber wie fast alles in dieser Kolonie war auch das nicht so einfach zu bekommen. Wahrscheinlich würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als nach England zu schreiben und auf eine entsprechende Lieferung zu warten. Aber das konnte über ein Jahr dauern.  
    Plötzlich war Stille. Die Schläge waren vorüber. Der halb ohnmächtige Galwin wurde losgebunden und neben seinen Leidensgenossen in den Karren geschafft. Der kupfrige Geruch von Blut stach unangenehm in der Nase.  
    »Man muss diesem Abschaum gegenüber Härte zeigen. Das kleinste bisschen Mitleid ist da zu viel«, sagte der Major, dann schlug er Alistair jovial auf die Schulter. »Und nun, McIntyre, was haltet Ihr von einem Glas Rum und einem Gespräch unter vier Augen bei Euch?«  
    »Oh, gerne«, stammelte Alistair, der gehofft hatte, sich endlich wieder seinen Forschungen widmen zu können.  
    »Sehr schön. Ich habe hier noch etwas zu erledigen. Geht schon vor, ich komme gleich zu Euch.« Der Major drehte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten, und ging mit seinem Bruder und den Konstablern in Richtung der Verwaltungsgebäude. Auch den Sträflingen erlaubte man, sich zu zerstreuen.  
    Alistair dachte nicht lange nach. Er musste verhindern, dass der Major und O’Sullivan sich begegneten.  
    Der junge Sträfling sprach gerade mit einem hünenhaften Gefangenen, der schwere Ketten trug, die ihm nur ein paar schwerfällige Schritte erlaubten. Alistair erinnerte sich an ihn; er hatte den Mann bereits mehrmals versorgt, nachdem man ihn ausgepeitscht hatte. Als Alistair zu ihnen trat, verstummte ihr Gespräch.  
    »O’Sullivan, du wirst ihn«, er deutete auf den Wagen mit den beiden Verletzten, auf dessen Kutschbock bereits ein Mann saß, »nach

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