Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
beschäftigen.«
Egal, wie überzeugend Sarah vortrug, dass Meggie ein sehr ruhiges Kind war, Cedric Peabody ließ nicht von seiner Bedingung ab.
Als sie mit Meggie an der Hand nach Hause ging, stellte Sarah fest, dass sie ihre Pläne überdenken musste. Die einzige Möglichkeit für sie schien zu sein, dass sie eine Stellung in einem wohlhabenden Haushalt annahm, in dem man Meggie mit aufnehmen würde. Doch der Gedanke gefiel ihr nicht. Sie hatte sich immer als eine Geschäftsfrau gesehen, die Erfahrungen sammelt, damit sie eines Tages ihr eigenes kleines Geschäft haben konnte. Eines Tages …
Doch wie das Schicksal so spielt, kam am selben Nachmittag eines der Mädchen von Captain Stewart zu ihr und fragte sie, ob sie Zeit hätte, sich am folgenden Nachmittag mit Mrs. Stewart zu unterhalten.
Pünktlich um halb vier standen Sarah und Meggie vor dem Haus von Captain Stewart, einem Reihenhaus am Hyde Park, der vor langer Zeit einmal die Rennbahn der Stadt gewesen war. Ein Dienstmädchen führte Sarah in den Salon, wo die junge Witwe, die solchen Luxus nicht gewohnt war, staunend die handgearbeiteten europäischen Möbel, den Kristallleuchter und die Keramikornamente bewunderte, die zum Haushalt einer feinen Dame und eines Gentleman gehörten. Will hatte ihr erzählt, dass Captain Edmund Stewart der zweite Sohn eines englischen Grafen war und über ein unabhängiges Einkommen von fast eintausend Guineen im Jahr verfügte – ein riesiges Vermögen!
Das Rascheln von Röcken und das Knistern von mindestens drei Lagen Unterröcken kündigten Mrs. Cynthia Stewarts Erscheinen im Salon an.
»Wie schön, dass Sie gekommen sind, Mrs. O'Riley. Ist das Ihre kleine Tochter?«, fragte Cynthia, fasste Meggie un ters Kinn und lächelte, als die Kleine zu ihr aufsah.
»Die Freude ist ganz meinerseits, Mrs. Stewart. Ja, das ist meine Meggie«, entgegnete Sarah höflich, da sie keine Ahnung hatte, warum sie hergebeten worden war. Doch sie war bereit zu warten, bis die Dame des Hauses ihr ihre Absichten erklärte. So sah sie zu, wie die Frau des Captains sanft und fürsorglich Meggies blondes Haar glatt strich.
Cynthias innerlicher Schmerz war ihr nur zu gut verständlich. Es war allgemein bekannt, dass sie in drei Ehejahren vier Fehlgeburten gehabt hatte, und die Armeegemeinde war allgemein der Ansicht, dass sie wohl immer kinderlos bleiben würde, egal, was sie versuchte.
»Möchten Sie eine Tasse Tee?«
Sarah blickte überrascht auf. Tee? Mit der Frau des Captains, in seinem Haus? Wenn das nur Will noch sehen könnte, er würde von einem Ohr bis zum anderen grinsen.
Cynthia zog an einer Schnur neben der Tür, und ein paar Minuten später wurde ein Tablett mit Tee hereingebracht und von dem Mädchen, das sie hereingelassen hatte, auf einem glänzend polierten Holztischchen serviert.
»Meine Liebe, ich möchte ganz offen mit Ihnen reden«, begann Cynthia, während sie den Tee einschenkte. »Bitte seien Sie nicht beleidigt, aber meinem Mann und mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie Schwierigkeiten haben, eine Stellung zu finden, die sie finanziell absichert, jetzt, wo Will, ähm, von uns gegangen ist.«
Sarah richtete sich kerzengerade auf, und ihr Gesichtsausdruck wurde eisern. »Meggie und ich kommen zurecht, Mrs. Stewart, wir bitten nicht um Almosen.«
Cynthia nickte zustimmend. »Ich wäre die Letzte, die auf so einen Gedanken käme«, versicherte sie, nahm einen Schluck Tee und fuhr fort: »Ich hatte gehofft, dass Sie mir vielleicht die Freude machen würden, eine Stellung in unserem Haushalt anzunehmen.«
Sarahs Augenbrauen hoben sich überrascht in die Höhe. Dieser Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen, und sie fragte sich, ob ihr diese Position angeboten wurde, weil der Captain ihren Will für einen so guten Soldaten gehalten hatte. »Ihr Angebot kommt überraschend, Madam.«
»Das verstehe ich. Aber manchmal hat man nicht den Luxus, über viel Zeit zu verfügen«, erklärte Mrs. Stewart etwas undeutlich. »Vor zwei Tagen erst habe ich erfahren, dass mein Mann eine Zeit lang Dienst auf …«, sie hüstelte leise, um zu verbergen, wie sehr ihr der Gedanke widerstrebte, »auf Norfolk Island tun wird. Ich werde ihn natürlich begleiten, und Edmund, der Captain, hat mir eröffnet, dass ich nur zwei Dienstmädchen mitnehmen kann.«
»Warum ich, Madam?«
Cynthia seufzte auf. »Ich habe gehört, dass Norfolk ein einsamer, trostloser Ort ist. Kein gesellschaftliches Leben, wenig Unterhaltung. Wenn ich meinen Gatten
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