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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Püppchen«, rief Elena wütend. »Ich bin keine Figur, die man unter Glas setzt!«
    »Natürlich nicht.« Osik strich sich über seine Glatze und blickte auf seinen aufgeschlagenen Terminkalender. »Ich komme in zwei Wochen zu euch.«
    »Das ist schön, Papa.«
    »Siehst du. Und laß den Mut nicht sinken. Auf Wiedersehen, Püppchen.«
    Wütend, ohne Antwort, warf Elena den Hörer auf die Gabel und verließ das Zimmer. Sie ging in ihren Schlafraum und warf sich auf das weiche Bett, das Osik für sie von Zagreb nach Foca hatte nachkommen lassen.
    In zwei Monaten, grübelte sie. Zwei Monate, bis ich Ralf wiedersehe. Das ist eine lange Zeit, eine zu lange Zeit. Ich werde sie nicht durchstehen … ich werde ungeduldig werden, ich werde eine Dummheit machen! Und wenn ich mit meinem Wagen heimlich durch das Gebirge zu ihm fahre … ich werde keine zwei Monate auf seine Lippen, seine Arme, seine Augen, seine Zärtlichkeiten warten können. Ich kann es nicht …
    Sie richtete sich auf und sah sich in dem großen Spiegel, der neben dem Fenster stand und bis zur Erde reichte. Ihre Augen waren umrandet und müde, die Haare lagen unordentlich um den schmalen Kopf, das Rot der Lippen war verwischt. Da warf sie sich wieder zurück aufs Bett und drehte den Kopf zur Wand.
    Sie weinte, und jetzt war es ein Weinen des Abschieds und der Sehnsucht.

2
    Jossip stand oben auf den Bergen, Tanja an seiner Seite, als der Heerwurm der Arbeiter sich über die Paßstraße aufwärts bewegte.
    Ungläubig an dem, was er sah, erschrocken vor der Fülle Leben, die sich in seine Einsamkeit und Abgeschiedenheit ergoß, ließ er sich auf die Knie gleiten und kroch bis zum Rand des senkrecht abfallenden Felsens vor. Auf dem Bauch liegend, sah er hinab auf den schmalen Felsenweg und betrachtete die langsam und vorsichtig sich vortastenden Raupenwagen und die Planierschaufler, die alles Gestein vom Wege wegdrückten und seitlich in die Schlucht warfen. So hatten die nachfolgenden Wagen einen freieren und nicht mehr so holprigen Weg. An einer etwas breiteren Stelle, eng an den Felsen gedrückt, stand ein einzelner Wagen und ließ die Kolonnen an sich vorbeiziehen.
    Ein kleiner, zweisitziger Wagen.
    Jossip kniff die Augen zusammen, als er Ralf Meerholdt am Wege stehen sah. Einen Augenblick hatte er die Versuchung, einen dicken Stein vom Felsen auf ihn hinabzurollen, eine Steinlawine auf diese fremden Menschen hinabregnen zu lassen und den Weg unbegehbar zu machen.
    Aber er bezwang sich und lag flach auf dem Bauch, vor Haß und Erregung tief atmend.
    Einer gegen tausend, dachte er. Das ist sinnlos, Jossip. Aber einer gegen einen – das ist ein Kampf, von dem die Ahnen sangen. Er ballte die Fäuste und schob sie vor sich her an den Rand des Felsens. Ich treffe dich, du feiner Herr! Für dich hat mich Rosa geschlagen, zweimal geschlagen … du weißt nicht, was das bedeutet, Herr! Du kommst aus einem anderen Land, du bist nicht einmal aus unserem Volk. Was weißt du, was ein Schlag bei uns bedeutet?! Du wirst wiederkommen, hast du gesagt … und nun bist du gekommen, aber mit einem Heer! Doch ich werde dich aus diesem Heer herausholen, und dann wird die Sonne wegsehen und Gott die Augen schließen …
    Er kroch zurück und richtete sich auf. Tanja stand mit gesträubtem Fell beim Leithammel der Herde und sah Jossip entgegen. Er knurrte leise, als er sich näherte und ihm das Halsband überwarf.
    »Komm, Tanja«, sagte er leise. »Wir müssen zurück ins Dorf. Wir haben noch viel zu tun, Tanja … es kommt eine schlimme Zeit für uns …«
    Er ging der Herde voran, und der Leithammel folgte ihm mit der Herde. Jossip kannte die Felsen und Wege wie keiner in Zabari, und er führte die Herde zurück über rauhe Schluchten und durch dunkle Täler und erreichte Zabari eher als die ersten Raupenschlepper, die fauchend den Weg hinab ins Dorf ratterten.
    Als die ersten Wagen ins Dorf kamen, standen am Eingang von Zabari kleine Mädchen mit Blumen und schmückten die ersten Fahrzeuge und die Fahrer. Später standen auch die Bauern und Bäuerinnen am Wege und winkten den einzelnen Autos zu, die durch das Dorf knatterten und außerhalb der Häuser, am Rande des kleinen Tales, anhielten und eine Art Wagenburg bildeten. Sie fuhren zu einem großen Kreis zusammen und schlugen in der Mitte des so geschaffenen Platzes Zelte und eine Baracke auf.
    Fedor stand in der Tür seiner Hütte, als die ersten Wagen ins Tal kamen. Er sagte nichts … er starrte ihnen entgegen,

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