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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sklave deines Reichtums werden und ein juwelenbehängter Schatz, den man nur hinter Glas bewundern darf! Ich liebe Ralf, und niemand, niemand, niemand hält mich ab, zu ihm zu gehen!«
    »Ich!« Stanis Osik ging auf der Terrasse hin und her und schnaufte. »Ich werde dich nach Rom schicken!«
    »Und ich werde nicht fahren!« antwortete sie trotzig.
    »Willst du einen Skandal? Ich werde dich bis an den Zug prügeln!«
    Elena sah ihren Vater aus haßerfüllten Augen an. Sie kannte ihn und seinen Zorn, der alle Tünche gesellschaftlicher Bildung und Beherrschung überschrie. Die Gasse, aus der Stanis Osik emporstieg in die Sonne des Geldes, brach in solchen Stunden wieder durch.
    Damals, vor 23 Jahren, war er ein arbeitsscheuer Kerl in Karlovac gewesen, bis sich seine Spuren verloren und er eines Tages auftauchte als Besitzer von zwei Betonmaschinen und einer eigenen Arbeitskolonne. Er baute einige Siedlungen, er bestach die verantwortlichen Inspekteure der Ministerien und erhielt Staatsaufträge und große Bauten, die ihn bald zu einem der wichtigsten Männer des jugoslawischen Bauplanes werden ließen. Seit diesen Tagen stand er mit allen maßgebenden Staatsbeamten auf freundschaftlichem Fuße und führte in Zagreb ein großes Haus.
    Das Wertvollste dieses Hauses, der Glanzpunkt seines dunklen Lebens, die Erfüllung aller seiner Träume war Elena. An sie hängte er alles, was in seiner Jugend die großen Sehnsüchte seines Lebens waren, das Unerreichbare, das er erreichte und an seiner Tochter wie in einem Spiegel betrachtete.
    Sein Zorn war echt. Elena empfand die Gefahr, die von ihm ausging, und schwieg. Mit verzerrtem Gesicht wandte sie sich ab und rannte auf ihr Zimmer. Auf dem Weg durch die Halle und die Treppe hinauf zerschlug sie einige Vasen und schloß sich dann ein, als sie Osik brüllend ihr nachrennen hörte.
    »Ich werde sie an den Haaren nach Rom schleifen!!« schrie er. »Diese läufige Katze, diese verfluchte!« Er schellte dem Hausmädchen – es kam nicht. Er brüllte nach dem Chauffeur – er war nicht zu finden. Sie waren aus dem Haus geflüchtet, als Osik zu schreien begann. In dem weiten Garten, der hinunter bis zu den flachen Ufern der Sava reichte, hielten sie sich verborgen und warteten über eine Stunde, ehe sie zurück ins Haus schlichen.
    So gingen sechs Monate dahin.
    Ein halbes Jahr, in dem der Bau von Zabari in den Himmel wuchs. Sechs Monate, in denen Elena in Zagreb blieb und nur durch das Zimmermädchen heimliche Briefe zu Meerholdt schmuggeln konnte, in denen sie ihre Klage niederschrie und ihn anflehte, sie zu befreien aus dem goldenen Gefängnis von Zagreb.
    Seine Antworten erreichten sie nicht. Sie wußte nicht, ob er überhaupt antwortete oder ihre Briefe bekommen hatte. Von Stanis Osik erfuhr sie nichts. Er sprach mit ihr nicht mehr über den Bau von Zabari, er führte sie in die Oper oder in ein Konzert, sie besuchten in Belgrad einen Winterball der Regierung, und Osik gab sich alle Mühe, Elena in die diplomatischen Kreise einzuführen und die jungen Gesandtschaftsräte für sie zu interessieren. Eine Geschäftsreise entführte sie nach Wien … in der Wiener Burg sah sie die Größen der Schauspielkunst und hörte in der Oper die herrlichen Stimmen von Dermota und Welitsch.
    Auch von Wien aus schrieb sie einen Brief an Meerholdt.
    »Mein Liebster«, schrieb sie, »was ist Wien, was ist die Welt ohne dich? Sechs Monate haben wir uns nicht gesehen, nicht gesprochen – nicht eine einzige Zeile von dir liegt auf meinem Herzen und tröstet mich, wenn ich an dich denke. Ich weiß, daß deine Briefe mich nie erreichen, und deshalb sollst du wissen, daß jeder Tag, den man mich von dir trennt, mich stärker werden läßt für jenen Augenblick, in dem ich dich wieder in meinen Armen halten kann und unsere Welt nur noch besteht aus dem gemeinsamen Schlag unserer Herzen …«
    In Zabari war der Winter längst hereingestürzt. Er war nicht gekommen wie in anderen Breiten unserer Erde, langsam, mit kalten Nächten und Frost, mit rieselndem Schnee und einem fahlen Himmel, dessen Wolken schwer zur Erde hingen. Er war wie eine Naturkatastrophe niedergebrochen, als sei er von den Felsen gestürzt wie eine alles vernichtende Lawine. Nach einem hellen Himmel erbebte der Wald in der Nacht unter einem heulenden Sturm … die Stämme brachen ächzend unter der Gewalt der Winde, die Tiere flüchteten aus dem Wald und suchten Schutz zwischen den Schluchten. Staub und Steine fegte der Sturm über das

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