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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schloß die Augen. Sie atmete schneller und kratzte mit den Fingern nervös über die Decke.
    »Was ist mit Jossip?« fragte sie.
    »Danach sollst du nicht fragen. Du sollst überhaupt nicht daran denken.« Der Arzt setzte sich auf das Bett und nahm ihre schlaffe Hand. »Du mußt denken, daß alles ein Traum war, ein böser, wilder Traum. Und nun bist zu erwacht, die Sonne scheint, die Blumen duften, von den Bergen stürzt das Wasser ins Tal, die Schafe weiden auf den Wiesen, und alles riecht nach Wald und Erde. Das ist das Leben, Rosa … du siehst es jetzt. Warum an diesen Traum denken … Sieh doch aus dem Fenster. Dort, der Wald … wie wunderbar steigt er den Berg hinauf. Als Kind hast du oft hinter einem Stamm gesessen und hast drei kleine Bären belauscht, die in der Sonne spielten. Und im Winter hocktest du am Fenster der Hütte und sahst aus dem Wald die Wölfe kommen, hungrig, heulend, und dein Vater ging hinaus mit den anderen Bauern und tötete sie mit Äxten und langen, spitzen Gabeln. Wie wunderbar ist doch das Leben …«
    Rosa nickte schwach. Sie drückte die Hand des Arztes.
    »Danke«, sagte sie leise. »Danke, Doktor …« Sie wandte den Kopf ab und seufzte. »Hat er ihn getötet …?«
    Der Arzt schob die Unterlippe vor. »Nein! Er lebt! Aber er wurde sehr verletzt. Wir suchen ihn seit Tagen.«
    »Er hat eine Höhle, in der er sich versteckt.«
    »Ich werde es sofort Herrn Meerholdt sagen.« Der Arzt erhob sich. »Und du mußt ganz ruhig bleiben und ein wenig essen. Nach dem Essen schläfst du wieder ein bißchen.«
    Er nahm aus seiner Tasche eine Spritze, setzte die Nadel ein und zog aus einer kleinen Flasche eine wasserhelle Flüssigkeit auf. Dann beugte er sich über sie, reinigte eine kleine Stelle des Unterarmes mit einem Wattebausch und Alkohol und injizierte das Mittel. Rosa zuckte bei dem Einstich zusammen, aber als sie den Kopf umwandte, war die Nadel schon wieder heraus.
    »Es beruhigt die Nerven«, sagte der Arzt. »Du mußt ganz, ganz ruhig werden …«
    Sie nickte und begann schon zu schlafen, als der Arzt das Zimmer verließ. Meerholdt, der an ihm vorbei zu Rosa wollte, hielt er fest.
    »Bleiben Sie hier! Sie schläft jetzt … es ist keine Bewußtlosigkeit mehr, sondern eine Art Heilschlaf. Bei großen seelischen Schocks machen wir das jetzt öfter … eine Ausschaltung der Nerven bis auf ein Mindestmaß der Funktionen und damit eine vollkommene Beruhigung des Körpers und dessen, was der Laie Seele nennt. Stören Sie sie nicht.« Der Arzt sah sich um. »Wo kann ich Hauptmann Vrana erreichen?«
    »Ich nehme an, bei der Wache am Berg.« Meerholdt musterte den Arzt. »Warum, Doktor?«
    »Rosa hat verraten, daß er in einer Höhle lebt!«
    »In einer Höhle?« Meerholdt faßte den Arzt am Arm. »Kommen Sie – ich gehe mit! Wenn es eine Höhle ist, dann kann es nur die sein, die wir suchen … die Höhle mit dem eingeschlossenen See!« Meerholdts Augen wurden starr. »Mein Gott«, stöhnte er. »Wenn Jossip die dünnste Stelle des Felsens weiß und sprengt sie auf … Wir würden alle in Sekundenschnelle ertrinken!«
    Der Arzt erbleichte. »Sie malen den Teufel an die Wand.«
    »Ich brauche ihn nicht zu malen! Er ist da! Kommen Sie schnell!«
    Sie rannten aus dem Haus und durch das Lager. Am Ausgang zum Wald trafen sie Hauptmann Vrana. Er machte eine Art Strafexerzieren mit dem Soldaten, der den Geologen angeschossen hatte. Hin und her jagte er den Armen durch eine Zementgrube, bis die Uniform nur noch eine dicke, langsam erstarrende Zementschicht war. »In einer Stunde trittst du mit sauberer Uniform und gereinigten Waffen wieder an!« brüllte er, als er die Männer auf sich zulaufen sah. »Hau ab, du Vollidiot!«
    Der Soldat rannte zum Zeltlager, einen nassen Zementstreifen hinter sich herziehend.
    Hauptmann Vrana war mit sich sehr zufrieden …
    Jossip lag in seiner Hütte und stöhnte.
    Er hatte sein Lager direkt an der Tür aufgeschlagen, die er mit zwei schräggestellten Balken doppelt gesichert hatte. Neben ihm lagen eine Axt, ein langes Schurmesser, eine Peitsche und eine Mistgabel mit spitzen Zinken.
    Elena Osik saß am Tisch und aß. Sie schielte auf den stöhnenden Jossip und schüttelte den Kopf.
    »Was du machst, ist Wahnsinn, Jossip! Du verreckst hier wie ein Tier! Deine Wunden müssen verbunden werden! Du bekommst den Starrkrampf … sie sind ja voller Schmutz! Du mußt ins Tal zu einem Arzt!«
    »Im Tal hängen sie mich auf!« Jossip richtete sich mit schmerzverzerrtem

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